In den letzten Tagen wurde MSLegal von Geschäftsführern und Vorständen wiederholt mit der Frage konfrontiert, inwieweit riskante Geschäfte in ihren Gesellschaften zulässig sind bzw. wie eine rechtliche Absicherung in diesem Kontext funktioniert. Anlass waren die Medienberichte zur Wien Energie.
Natürlich bedarf es individueller Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls. MSLegal nimmt diese Anfragen aber zum Anlass, um einige generelle Hinweise zu geben:
1.
Auch der Abschluss von risikoreicheren Rechtsgeschäften ist nicht zwingend unzulässig. Die Rechtsprechung formuliert etwa, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung nicht vorliegt, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäftes die naheliegende Wahrscheinlichkeit bestanden hat, dass sich das Geschäft für die Gesellschaft als günstig erweist (OGH RIS-Justiz RS0049458).
2.
Existenzbedrohendes Risiko darf aber – nach einer verbreitet anzutreffenden Aussage in Lehre und Rechtsprechung – nicht übernommen werden (z.B. OGH 6 Ob 89/21p). Hier liegt es regelmäßig am Vorhandensein einer geeigneten unternehmensinternen Organisation, welche die möglichen Risiken konkret erkennt und geeignete Informationen für die Beurteilung und Risikoabwägung zur Verfügung stellt. Das „Risikomanagementsystem“ ist idZ ein wiederkehrendes Thema.
3.
Ist die Lage einer Gesellschaft bereits angespannt bzw liegen sonstige risikoträchtige Besonderheiten vor, sind die Gesellschaftsorgane in besonderem Maße gefordert. Hier wird beispielsweise auch der Aufsichtsrat seine Überwachungstätigkeit entsprechend zu intensivieren haben (OGH 6 Ob 58/20b).
4.
Organpflichten sind anhand der Umstände der jeweiligen Gesellschaft, insbesondere nach Branche und Größe des Unternehmens zu konkretisieren. Entsprechend müssen auch die Maßnahmen zur Haftungsvermeidung konzipiert werden; sie gehen mit den Maßnahmen zur Schadensvermeidung Hand in Hand, enthalten regelmäßig aber auch den besonderen Aspekt der Dokumentation der eigenen Entscheidungsfindung und Maßnahmen durch die handelnden Personen:
Entsteht ein Schaden durch ein riskantes Geschäft, stellt sich die Frage, warum der Schaden eingetreten ist. Wurde die Gefahr eines Nachteils erkannt, aber das vertretbare Risiko aus guten unternehmerischen Gründen bewusst („sehenden Auges“) in Kauf genommen, dann scheitert ein Vorwurf in der Regel an der Business Judgment Rule (§ 25 Abs 1a GmbHG, § 84 Abs 1a AktG).
Rechtfertigungsbedarf wird es faktisch trotzdem geben. Besondere Bedeutung kommt der Organisation und der Information zu. Schwachstellen sind in diesem Zusammenhang praktisch gefährlich, weshalb (laufende) Analysen und organisatorische Anpassungen entscheidend sein können. Die Dokumentation rundet die persönliche Absicherung ab; ist sie „griffbereit“, weist dies idR den sorgfältigen Informationsfluss nach – ein probates Mittel, um Kritikern einen Schritt voraus zu sein.