Werkvertragsrecht - Kostenvoranschlag

Kostenvoranschlag beim Werkvertrag: Anzeigepflicht bei beträchtlicher Überschreitung? – OGH vom 4. April 2024, 4 Ob 1/24m

Während beim Verbrauchergeschäft ein Kostenvoranschlag des Unternehmers stets verbindlich ist, wenn nicht das Gegenteil ausdrücklich erklärt wird (§5 Abs 2 Konsumentenschutzgesetz), wird im Verhältnis zwischen Unternehmern die Regel umgekehrt. Hier ist ein Kostenvoranschlag regelmäßig als unverbindlich (ohne Gewähr) zu interpretieren, es sei denn der Werkbesteller erklärt, für dessen Richtigkeit einzustehen.

Aber auch beim Kostenvoranschlag ohne Gewähr ist der unternehmerische (als Unternehmer tätige) Werkbesteller nicht schutzlos zusätzlichen Werklohnforderungen seines Vertragspartners ausgesetzt. Erweist sich nämlich eine beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlages als unvermeidlich, so hat der Werkunternehmer dies dem Besteller unverzüglich anzuzeigen, wenn er den Anspruch auf Abgeltung der Mehrkosten nicht verlieren möchte (§1170a Abs 2 ABGB). Der Besteller kann sich dann entscheiden, ob er am Vertrag festhalten und die Mehrkosten übernehmen möchte oder ob er vom Vertrag zurücktritt und diesfalls die von seinem Vertragspartner bereits geleistete Arbeit diesem angemessen vergütet.

In der Rechtsprechung wird diese Anzeigepflicht des Werkunternehmers im Falle einer unvermeidlichen beträchtlichen Überschreitung eines Kostenvoranschlages allerdings stark eingeschränkt. Wenn nämlich die Umstände, die zu den Mehrarbeiten und damit zur beträchtlichen Überschreitung des Kostenvoranschlages führen, in der Sphäre des Bestellers liegen, trifft den Werkunternehmer keine Warnpflicht. Der Werkbesteller hat also dann auch den (zusätzlichen) Werklohn für die notwendigen Mehrarbeiten zu vergüten.Diese Judikatur wird zwar in der rechtswissenschaftlichen Literatur (nur beispielsweise M. Bydlinksi in KBB7 §1170a ABGB Rz 9) kritisiert, da die für Mehrarbeiten verantwortlichen Umstände ja regelmäßig in der Sphäre des Bestellers liegen (z.B. Zustand des Baugrundes oder der vorgefundene Bauzustand). Das Höchstgericht hat nun auch im vorliegenden Judikat ungeachtet der Kritik in der rechtswissenschaftlichen Literatur an seiner (für den Werkbesteller harten) Linie festgehalten.

Dies mag aber auch darauf zurückzuführen sein, dass im gegenständlichen Fall der Werkunternehmer unverzüglich nach der Erkennbarkeit der drohenden Überschreitung des Kostenvoranschlags wegen konkret erforderlicher Mehrarbeiten den Werkbesteller darauf hingewiesen hatte, dass dadurch Mehrkosten entstünden. Außerdem hatte er dem Werkbesteller die Höhe der Mehrkosten – wenn auch erst fast 2 Monate nach deren (weitgehenden) Abschätzbarkeit – mitgeteilt. Der klagende Werkunternehmer war mit seiner zusätzlichen Werklohnforderung jedenfalls in allen 3 Instanzen erfolgreich.

 

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