Werkvertragsrecht und Steuerrecht

Werklohnanspruch bei Abbestellung brutto und nicht bloß netto! – EuGH antwortet OGH (C-622/23, rhtb sowie 6 Ob 226/24i)

Wenn die Ausführung eines Werks wegen Abbestellung durch den Werkbesteller (Auftraggeber) unterbleibt, hat der Werkunternehmer gemäß § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB Anspruch auf das vereinbarte Entgelt (den vereinbarten Werklohn) abzüglich der Ersparnisse infolge Nichtausführung. Die Frage, ob der Auftraggeber dieses Entgelt netto oder brutto (also zuzüglich Umsatzsteuer) schuldet, war bis vor kurzem mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung unklar. Im (insbesondere steuerrechtlichen) Schrifttum wurde überwiegend die Ansicht vertreten, dass mangels realer Leistungserbringung (das Werk wird ja nicht ausgeführt) das Entgelt grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar sei, d.h. der Werkbesteller daher keine Umsatzsteuer schulde.

Wie bereits in unserem Legal News-Beitrag vom 19.02.2024 dargelegt, hat der Oberste Gerichtshof (OGH) aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des umsatzsteuerlichen Regelwerks im September 2023 (Beschluss vom 25.09.2023, 6 Ob 55/23s) den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Auslegung der im gegenständlichen Zusammenhang relevanten EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (RL 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006) ersucht.

Der EuGH hat rund 14 Monate später mit Urteil vom 28.11.2024, C-622/23 klargestellt, dass der Werklohnanspruch des Werkunternehmers gemäß § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB als Entgelt iSd Art 2 Abs 1 lit c der genannten Mehrwertsteuersystem-Richtlinie der Umsatzsteuer unterliegt. Das vor dem OGH wegen Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH seit September 2023 unterbrochene Revisionsverfahren wurde in der Zwischenzeit auf Antrag des klagenden Werkunternehmers fortgesetzt und wurde diesem vom OGH auch die im Klagsbetrag enthaltene Umsatzsteuer in Höhe von EUR 250.599,00 hinsichtlich der nicht erbrachten, aber vom Werkbesteller gemäß § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB zu entlohnenden Werkleistungen zugesprochen.

Jeder mit einer Abbestellung seines Werks konfrontierte Werkunternehmer ist daher künftig gut beraten, den sich nach Abzug seiner Ersparnisse ergebenden Werklohn vom Werkbesteller brutto (also zuzüglich Umsatzsteuer) zu begehren und diese Umsatzsteuer ordnungsgemäß abzuführen, um für den Falle einer Umsatzsteuerprüfung gewappnet zu sein.

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