Immobilienrecht

Verstärkter Senat zur Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte iZm Grundstück-Kaufoptionen

Der OGH hatte sich in seiner Entscheidung 4 Ob 217/21x vom 28.03.2023 mit vielen spannenden Fragen zum Optionsvertrag zu beschäftigen. Vorliegend wurde dem Optionsberechtigten das Recht eingeräumt, durch zukünftige Erklärung ein bestimmtes Grundstück zu vordefinierten Konditionen (etwa Kaufpreis) zu erwerben, wobei kein gesondertes Entgelt für die Option vereinbart worden war.

Das Highlight dieser Entscheidung ist zweifellos die Erörterung über die Anfechtbarkeit des Optionsvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB). Nach dieser Norm kann etwa ein abgeschlossener Kaufvertrag wegen des Umstandes beseitigt werden, dass der Kaufpreis weniger als die Hälfte des Wertes der Kaufsache ausmacht.

Während der Kaufpreis bereits im Optionsvertrag festgelegt ist, ist fraglich, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung des Grundstückswertes als Referenzgröße relevant ist: Der Zeitpunkt des Abschlusses des Optionsvertrages oder jener der Ausübung der Option?

Gerade in Zusammenhang mit Immobilientransaktionen kann es – wenn wie im gegenständlichen Fall die beiden genannten Zeitpunkte weit auseinanderliegen (der Optionsvertrag wurde beinahe zehn Jahre vor seiner Ausübung geschlossen) – im Lichte der rasanten Wertsteigerungen von Grundstücken in den letzten Jahren einen gewaltigen Unterschied machen, ob auf die Einräumung oder die Ausübung der Option abgestellt wird (vorliegend verdoppelte sich der Grundstückswert beinahe).

Die Schwierigkeit rührt hier vor allem daher, dass der Optionsvertag als solcher aus rechtlicher Sicht schwer fassbar ist und dessen Wesen irgendwo zwischen Annahme eines Angebotes zum Abschluss eines Vertrages einerseits und Vorvertrag andererseits liegt.

Vorliegend hat die optionsbelastete Person (Verkäufer) dem Optionsberechtigten (Käufer) das vertragliche Recht eingeräumt, das Grundstück zu vordefinierten Konditionen zu einem späteren Zeitpunkt zu kaufen. Offenkundig zeigen sich hier Parallelen zu einem „gewöhnlichen“ Liegenschaftskaufvertrag, bei dem der Verkäufer ein bindendes Angebot zum Verkauf legt, das der Käufer sodann annehmen kann, um den Kaufvertag abzuschließen (§ 862 ABGB). Der für § 934 ABGB relevante Grundstückswert beurteilt sich hierbei zu dem Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses (§ 934 ABGB: „Zeitpunkt des geschlossenen Geschäftes“), der mit der Annahme des Angebotes erfolgt.

Wenn man nun aufgrund der durchaus vergleichbaren Situation den Optionsvertrag sozusagen als Angebot und die Ausübung der Option als Annahme des Liegenschaftskaufvertrages ansieht, ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Grundstückwertes – wie beim „gewöhnlichen“ Kaufvertrag auch – der Moment, in dem der Liegenschaftskaufvertrag zustande kommt, das heißt, die Kaufoption wahrgenommen wird.

Der Optionsvertrag trägt jedoch auch Wesenszüge des Vorvertrages (§ 936 ABGB). Der Vorvertrag für einen nachfolgenden Kaufvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass alle wesentlichen Vertragspunkte (Kaufpreis, Kaufgegenstand und Kaufparteien) bereits festgelegt sind. Die einzige inhaltliche Abweichung zum Hauptvertrag (Kaufvertrag) besteht darin, dass vereinbart wird, den eigentlichen Kaufvertrag erst zukünftig abzuschließen (das kann aus sachlichen Gründen vorteilhaft sein). Weil aus dem Vorvertrag bereits der Abschluss des ansonsten inhaltsgleichen Kaufvertrages begehrt werden kann, das heißt, indirekt bereits ein Anspruch auf Übergabe der Kaufsache/Bezahlung des Kaufpreises besteht, ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Grundstückwertes hier der Abschluss des Vorvertrages.

Hinweise für die Praxis:

Während beide Lösungswege gut vertretbar sind, kommt es für den OGH auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Optionsvertrages an: Im Rahmen der Prüfung der Verkürzung über die Hälfte ist der im Optionsvertrag vereinbarte Kaufpreis mit dem Wert des Grundstückes bei Abschluss des Optionsvertrages zu vergleichen! Der OGH begründet seine Entscheidung damit, dass die Anfechtung nach § 934 ABGB auf die Korrektur eines bestehenden (und nicht allenfalls zukünftig bloß potentiell möglichen) Missverhältnisses abzielt. Das Wertentwicklungsrisiko hängt der OGH damit der optionsbelasteten Person (Verkäufer) um.

Im Ergebnis werden damit die vor Jahren eingeräumten Grundstück-Kaufoptionen in ihrem Bestand gesichert. Dem optionsberechtigten Käufer beschert diese Rechtsprechung erhebliche Vermögenszuwächse. Für den mit der Option belasteten Verkäufer ist diese Situation natürlich weniger kommod: Ein vor Jahren abgeschlossener Optionsvertrag, der einen nach damaligen (!) Maßstäben adäquaten Kaufpreis ausweist, kann nicht nach § 934 ABGB beseitigt werden, obwohl der Kaufpreis wegen der rasanten Wertsteigerung am Immobilienmarkt nicht einmal die Hälfte (!) des heutigen Grundstückwertes abdeckt (andere Auflösungsgründe können uU einschlägig sein).

Aufgrund der schwer prognostizierbaren Entwicklung der Immobilienpreise ist bei der Einräumung zukünftiger Grundstück-Kaufoptionen höchste Vorsicht geboten!

  • Insgesamt ist diese Entscheidung lesenswert und sehr umfangreich. Der OGH ging auch – besonders praxisrelevant – der Frage nach, ob bzw. wann bei einer Option ohne gesondertes Entgelt eine Schenkung vorliegt. Zu beachten ist: Für die Wirksamkeit des Optionsvertrages bedürfte es dann eines Notariatsaktes. In der Praxis wird daher auch immer die Formbedürftigkeit zu prüfen sein.
  • Ferner beschäftigte sich der OGH auch mit der Verjährung der Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte.

 

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