Der VwGH beschäftigte sich in der rezenten Entscheidung vom 1.10.2021, Ra 2018/06/0210, mit einem für die Immobilienwirtschaft bedeutsames Thema:
Ein Bauwerber beantragte die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit 8 Wohnungen samt Parkplätzen. Der Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung erfolgte am 2. Juni 2015. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 abgelehnt, weil das Ortsbildkonzept der Baubewilligung entgegenstand. Tatsächlich änderten sich die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung nach Beantragung der Baubewilligung: Erst am 15. April 2016 trat ein neues Ortsbildkonzept, das auch das verfahrensgegenständliche Baugrundstück betraf, in Kraft. Betrachtet man den zeitlichen Ablauf, so zeigt sich, dass es erst viele Monate nach der Beantragung der Baubewilligung zu dieser Rechtsänderung kam.
Der VwGH musste somit beurteilen, ob bei Bescheiderlassung die zum Zeitpunkt des Ansuchens oder die während des Bauverfahrens abgeänderten Rechtsvorschriften entscheidend sind. Der VwGH vertrat die Ansicht, dass im Allgemeinen jene Rechtsvorschriften und jene Sachlage im Baubewilligungsverfahren maßgeblich sind, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vorgefunden werden. Es gäbe zwar Ausnahmen, etwa wenn der Gesetzgeber oder der Verordnungsgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch die unveränderten Rechtsvorschriften anzuwenden wären. Im Einzelfall kann auch ein früherer Rechtsbestand ausschlaggebend sein, etwa sich wenn die Entscheidung überhaupt auf die Frage bezieht, ob zu einem bestimmten Stichtag etwas rechtens war.
Im konkreten Fall gab es aber keine Übergangsbestimmung in der Verordnung zum Ortsbildschutz, sodass nach Ansicht des VwGH bei Erlassung des Bescheides die geänderte Rechtslage für das Baubewilligungsverfahren entscheidend war. Die Baubewilligung wurde daher rechtskonform abgelehnt.
Was bedeutet das für die Praxis?
Einerseits sollte sich ein Bauwerber nach Möglichkeit über in naher Zukunft anbahnende Rechtsänderungen informieren, um zumindest ein Risiko abschätzen zu können.
Andererseits ist die Dauer eines Baubewilligungsverfahren insofern bedeutsam, als mit der Dauer des Baubewilligungsverfahrens auch das Rechtsänderungsrisiko anwächst. In diesem Zusammenhang vermeinte der VwGH: „Der Umstand, dass allenfalls eine raschere Entscheidung durch die Baubehörde möglich gewesen wäre (nämlich vor dem Inkrafttreten der Änderung des gegenständlichen Ortsbildkonzeptes), vermag an der dargestellten Rechtslage nichts zu ändern (vgl. dazu erneut VwGH 20.3.2003, 2003/06/0044). Der praxisnahe Rechtsvertreter hegt natürlich verfassungsrechtliche Bedenken, wenn ein Bauwerber aufgrund langer Verfahrensdauer und Änderungen von Rechtsvorschriften ohne Übergangsbestimmung negativ überrascht wird. Bedauerlicherweise verwarf aber der VwGH diesbezügliche Bedenken in der rezenten Entscheidung (unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VwGH vom 22.9.2009, B 1054/09), denn das „Fehlen einer Übergangsbestimmung im Zusammenhang mit den im Jahr 2016 in Kraft getretenen Änderungen des Ortsbildkonzeptes [..] gibt auch keine Veranlassung zu Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht„.