IMMOBILIENRECHT

Merkantiler Minderwert bei Immobilien

 

Wenn eine fremde Sache vorwerfbar rechtswidrig beschädigt wird, hat der Schädiger die Kosten der Reparatur bzw die Wertminderung zu tragen: Er leistet Ersatz für den technischen Schaden.

Über diesen technischen Schaden hinaus wird in der Rechtsprechung mitunter auch der schadenersatzrechtliche Ausgleich für die geschmälerte Verkaufsmöglichkeit einer reparierten Sache gewährt. Ausgangspunkt ist das marktspezifische Phänomen, wonach die einst beschädigte Sache trotz des mittlerweile durch Reparatur wiederhergestellten technisch einwandfreien Zustandes einen geringeren Preis lukriert als die ceteris paribus unbeschädigte Sache. Die Rechtsprechung spricht hierbei von einer „gefühlsmäßigen Abneigung des Käuferpublikums gegen reparierte Sachen“ (zB OGH 5 Ob 47/98t). Im Schadenersatzrecht firmiert diese Thematik unter dem Schlagwort merkantiler Minderwert. Sie ist vor allem in Zusammenhang mit reparierten Fahrzeugen bekannt, doch stellt der merkantile Minderwert auch bei Immobilien eine ersatzfähige Schadensposition dar (jüngst OGH 10 Ob 59/22g; OGH 1 Ob 620/94: Hangrutschung; OGH 1 Ob 321/99h: minderwertiger Stahlbeton). Hintergrund dafür ist auch, dass Reparaturen bei Immobilien besonders schwierig und aufwendig sein können, sodass sich ohnehin allgemein bestehende Vorbehalte des Rechtsverkehres gegenüber reparierten Sachen bei Immobilien nochmals verstärken.

Hinweise für die Praxis:

Wann und gegebenenfalls in welcher Höhe ein ersatzfähiger merkantiler Minderwert vorliegt, ist im Vergleich zu dem technischen Schaden naturgemäß deutlich schwieriger zu beurteilen und ist überdies in der Literatur äußerst umstritten.

Die Ermittlung des merkantilen Minderwertes erfolgt anhand der Differenzmethode: Verglichen werden der Wert der Immobilie vor der Beschädigung mit jenem nach der (allenfalls erfolgten, ansonsten hypothetischen) Reparatur (OGH 7 Ob 187/18b). Eine tatsächlich durchgeführte Reparatur ist nach Ansicht der Rechtsprechung aber keine Voraussetzung für die Ersatzfähigkeit (OGH 10 Ob 59/22g Rz 13).

Einigkeit besteht dahingehend, dass Bagatellschäden an der Immobilie keinen Schadenersatz begründen. Dabei ist die exakte Grenzziehung alles andere als einfach. Zur (bloßen) Orientierung, ob die Bagatellgrenze überschritten ist, gilt Folgendes: Reparaturkosten unter 10% des Marktwertes sollen ein Indiz für eine Bagatelle sein (OGH 10 Ob 59/22g Rz 15).

Besonderes gilt bei Beschädigungen tragender Teile (Statik): Nach der Rechtsprechung soll es sich hierbei stets um einen ersatzfähigen merkantilen Minderwert handeln, weil solche Schäden den Rechtsverkehr auf Dauer besonders stark an der Qualität des Gebäudes zweifeln lassen (OGH 10 Ob 59/22g Rz 16).

Praxisrelevant ist ferner, dass nach der Rechtsprechung ein konkretes Verkaufsinteresse des Geschädigten keine Voraussetzung für einen Ersatzanspruch ist (so schon OGH 2 Ob 232/71 iZm einem Fahrzeug; ferner: OGH 7 Ob 187/18b). Selbst wenn der Geschädigte keinen Verkauf der Immobilie plant, sondern sie behält und weiterbenutzt, kann sohin ein entsprechender Schadenersatzanspruch wegen geringerer Verwertungsmöglichkeit am Markt bestehen (siehe aber auch OGH 10 Ob 113/98k: mitunter ist der Nachweis eines konkreten Verwertungs- bzw Nutzungsausfalles notwendig).

Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen einer ersatzfähigen Schadensposition trifft auch hier nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich den Anspruchsteller, sohin den Geschädigten (OGH 10 Ob 113/98k). In der Praxis wird regelmäßig ein entsprechendes Sachverständigengutachten zu erstellen sein.

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