IMMOBILIENRECHT

Gesetzliches Bestandgeberpfandrecht und Mieterinsolvenz. Eine Entscheidung des OLG Wien.

Hat ein Mieter einen Kündigungsverzicht abgegeben oder liegt ein befristetes Mietverhältnis vor, ist der Mieter rechtlich an das Mietverhältnis für die Dauer des Kündigungsverzichts bzw. für die Dauer der Befristung insoweit gebunden, als dadurch eine ordentliche Kündigung nach Maßgabe der vertraglichen Regelungen ausgeschlossen ist. In der Mieterinsolvenz kann aber der Insolvenzverwalter das Mietverhältnis unbeschadet eines Kündigungsverzichts bzw. unbeschadet einer Befristung dennoch vorzeitig beenden. Diese Möglichkeit wird auch regelmäßig in Anspruch genommen, wenn die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses aus Sicht der Insolvenzmasse unzweckmäßig ist. Damit entgehen dem Vermieter die kalkulierten Mieteinnahmen für die Restlaufzeit der Befristung bzw. für die verbleibende Dauer des Kündigungsverzichts, wofür er aber einen Anspruch auf Schadenersatz erhält (§ 23 IO). Der Schadenersatzanspruch ist aber lediglich eine Insolvenzforderung, sodass der Vermieter auf die Insolvenzquote verwiesen ist.

Zur Absicherung des Mietzinses sieht das Mietrecht ein gesetzliches Pfandrecht des Vermieters (Bestandgeberpfandrecht) an den in das Mietobjekt eingebrachten Einrichtungsgegenständen und Fahrnissen vor (§ 1101 ABGB). In der Mieterinsolvenz ist eine Geltendmachung des Pfandrechts für den vorgenannten Schadenersatzanspruch naheliegend. Wirtschaftlich hieße es, dass der Vermieter durch einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus diesen Pfandsachen eine höhere Befriedigung seines Schadenersatzanspruches als die Insolvenzquote erwarten kann.

Unbestritten gilt das gesetzliche Pfandrecht zunächst für fällige Mietzinse, wobei in der Mieterinsolvenz die Geltendmachung für zurückliegende Mietzinse –  zur Vermeidung einer Aushöhlung der Insolvenzmasse – auf die im letzten Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallenen Mietzinse beschränkt ist. Von dieser Beschränkung ist die Verpachtung landwirtschaftlicher Liegenschaften aber ausgenommen.

Das OLG Wien befasste sich jüngst in der Entscheidung vom 27.10.2020, 6 R 180/20i, mit der Frage, ob das gesetzliche Pfandrecht auch für den Schadenersatzanspruch nach § 23 IO gilt.

Das OLG Wien verneinte nach ausführlicher Beschäftigung mit dem Meinungsstand im Schrifttum und mit der historischen Entwicklung des § 1101 ABGB diese Frage. Begründet wird diese Ansicht im Kern mit dem sinngemäßen Argument, dass § 1101 ABGB als gesetzliche Sonderregelung Entgelte für eine tatsächlich erfolgte Gebrauchsüberlassung absichern will, demgegenüber die insolvenzrechtliche Schadenersatzforderung wegen der fehlenden Abgeltungsfunktion für eine Gebrauchsüberlassung keinen Entgeltcharakter hat. Das OLG Wien schloss sich damit der überwiegenden Meinung in der Literatur an (vgl. z.B. Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1101 ABGB Rz 8 f mwN; anderer Ansicht Riss in KLS, IO § 23 Rz 22).

Fazit: 
Der gut begründeten Entscheidung des OLG Wien ist zuzustimmen; für die Praxis bedeutet das freilich, dass durch vertraglich vereinbarte Bereitstellung geeigneter Sicherheiten vorgesorgt werden muss.

 

 

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