Eine rezente Entscheidung des OGH befasst sich mit der Auslegung des Gesellschaftsvertrages einer Kommanditgesellschaft, in deren Rahmen ein Familienunternehmen betrieben wird. Es ging bei dem Rechtsstreit letztlich um die Frage, wer als Nachfolger des unbeschränkt haftenden Gesellschafters (im Falle dessen Todes) in die Gesellschaft eintreten und so das Unternehmen fortführen kann. Neben den Kindern aus erster Ehe kamen die neue Ehefrau und deren Tochter (theoretisch) in Betracht. Der unbeschränkt haftende Gesellschafter wollte sich diesbezüglich Entscheidungsfreiheit sichern, doch war die Frage weder ursprünglich bei Gründung der KG noch in weiterer Folge geregelt worden. Er sah sich daher gezwungen, seine Interessen gerichtlich zu verfolgen und klagte seine Mitgesellschafterin (seine vormalige Ehefrau, die als Kommanditistin an der KG beteiligt ist).
Ursprünglich (bereits in den 1970er-Jahren) wurde die KG vom Kläger und dessen Vater gegründet, erst in der Folge trat die vormalige Ehefrau in die Gesellschaft ein, während der Vater des Klägers kurz danach ausschied. Gestützt auf den Willen der ursprünglichen Gesellschafter behauptete der Kläger, dass alle Nachkommen für die Nachfolge in Betracht kämen und die Gesellschaft mit den Erben und Vermächtnisnehmern des Gesellschafters fortzusetzen wäre. Dies sei auch Inhalt des Gesellschaftsvertrages geworden. Da der angebliche Inhalt nicht verschriftlicht worden war, klagte der Kläger auf Feststellung eines solchen Inhalts des Gesellschaftsvertrages, wobei er mehrere Eventualbegehren (Feststellungsbegehren wie auch Begehren auf Zustimmung zur Vertragsänderung) stellte.
Mit keinem drang er jedoch beim OGH durch. Das Berufungsgericht hatte demgegenüber noch eine ergänzende Auslegung des Gesellschaftsvertrages anhand des hypothetischen Parteiwillens der ursprünglichen Gesellschafter bejaht. Der OGH verneinte dies. Ohne Zustimmung der neu eingetretenen Gesellschafterin sei das Verständnis der ursprünglichen Gesellschafter bezüglich des Vertragsinhalts nicht maßgeblich.
Und auch ein Anspruch auf Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrages bestand nicht, weil es kein überwiegendes Interesse an einer solchen Änderung gab. Hierfür war insbesondere entscheidend, dass die Kinder aus erster Ehe in der Lage und willens waren, das Unternehmen fortzuführen.
Es zeigt sich: Eine mangelhafte Gestaltung von Gesellschaftsverträgen führt zu Unsicherheiten hinsichtlich der Vertragslage und zu Überraschungen für Gesellschafter. Gerade im Bereich der Personengesellschaften, bei welchen nicht stets eine objektive Auslegung gesellschaftsvertraglicher Regelungen vorzunehmen ist (weil die Auslegung nach Maßgabe des § 914 ABGB erfolgt), können sich praktische Beweisprobleme stellen. Dies sollte unabhängig von der Größe der Gesellschaft bzw. des Unternehmens bedacht werden. Eine Verschriftlichung ist regelmäßig zu empfehlen. Auch eine „Sanierung“ älterer Fälle, in welchen auf eine Vertragsurkunde verzichtet wurde, sollte in Zeiten des Einvernehmens der Gesellschafter in Angriff genommen werden.