Ausgangspunkt der Überlegungen ist ein alltäglicher Fall: Ein Verbraucher schließt über das Internet ein entgeltliches Abonnement (rechtstechnisch handelt es sich dabei um einen Dienstleistungsvertrag nach dem FAGG [Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz]) ab. Bekanntermaßen kommt dem Verbraucher bei einem solchen Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 11 FAGG zu: Er kann sich ohne Angabe von Gründen innerhalb der Widerrufsfrist von dem abgeschlossenen Vertrag lösen.
In dem gegenständlichen Anlassfall (EuGH C-565/22) stand im Rahmen einer Verbandsklage nach § 28a KSchG eine für Abonnements gängige AGB-Klausel eines Unternehmers im Fokus: Ein Testabonnement berechtigt den Verbraucher dazu, die angebotene Dienstleistung (vorliegend: Internet-Lernplattform) 30 Tage lang zu nutzen. Innerhalb dieser 30 Tage kann der Verbraucher jederzeit fristlos „kündigen“ (bei dieser „Kündigungsmöglichkeit“ dürfte es sich um ein im Verhältnis zu den gesetzlichen Anforderungen für den Verbraucher vorteilhaftes und daher wirksames Widerrufsrecht [§ 2 FAGG] handeln). Sofern keine entsprechende „Kündigung“ erfolgt, wird das Test- „automatisch“ in ein entgeltliches Normalabonnement übergeleitet.
Ein solches Modell kann für die beteiligten Personen vorteilhaft sein, weil es einerseits dem Verbraucher die „risikolose“ Konsummöglichkeit bietet und es andererseits den Unternehmer in die Lage versetzt, den Verbraucher durch ein niederschwelliges Testangebot von der Qualität seiner Dienstleistung zu überzeugen.
Der OGH legte dem EuGH die Frage vor, ob – vereinfacht formuliert – in dem Zeitpunkt der Umwandlung in ein Normalabonnement ein (weiteres) Widerrufsrecht entsteht. Ein solches hätte zur Folge, dass der Verbraucher auch nach dem Verstreichen der „Kündigungsmöglichkeit“ während des Testzeitraumes (erstes Widerrufsrecht) das Normalabonnement innerhalb von 14 Tagen ab Umwandlung widerrufen kann. Der EuGH verneinte: Es entsteht kein (weiteres) Widerrufsrecht.
Anmerkungen: Die Entscheidung des EuGH betrifft einen Sachverhalt, der sich vor dem Inkrafttreten der neuen Richtlinie 1019/2161 ereignete und daher Art 9 der mittlerweile abgelösten Richtlinie 2011/83 betrifft. Die Auslegung des EuGH hinsichtlich des Widerrufsrechtes ist aber auch für das Verständnis der neuen Richtlinie und somit für die aktuell geltende Fassung des FAGG belangvoll.
Hinweise für die Praxis:
Grundsätzlich begründet auch die im Fernabsatz (zB über das Internet) erfolgte Vertragsverlängerung/-änderung ein Widerrufsrecht gem § 11 FAGG (RV 89 XXV. GP, 34).
Meines Erachtens ist die vorliegende Testabonnement-Konstruktion aber anders gelagert als eine Vertragsverlängerung/-änderung, bei der die Vertragsparteien erneut etwa über das Internet zum Zwecke des Vertragsschlusses in Kontakt treten und sich abermals entsprechend rechtsgeschäftlich einigen müssen: Wann und warum der unentgeltliche Probezeitraum in einen entgeltlichen Zeitraum übergeht, ist hier nämlich von vornherein vertraglich festgeschrieben und hängt von der Nichtausübung des einseitigen „Kündigungsrechtes“ des Verbrauchers ab. Dies läuft letztlich darauf hinaus, dass eine solche „automatische“ Verlängerung keinen (neuen) Fernabsatzvertrag darstellt und daher konsequenterweise auch kein (weiteres) Widerrufsrecht erwächst. Diese Ansicht deckt sich mit der Aussage des EuGH, wonach auch bei der Verlängerung eines ceteris paribus kostenpflichtigen Vertrages kein (erneutes) Widerrufsrecht entsteht (EuGH C-565/22 Rz 49).
Der EuGH begründet seine Entscheidung letztlich aber anders: Unvermittelt junktimiert er die Angabe des Gesamtpreises für die Dienstleistung entgegen der insofern klaren Richtlinie 2011/83 (und der Richtlinie 1019/2161) sowie § 4 Abs 1 Z 4 FAGG mit dem Entstehen eines Widerrufsrechtes: Wenn der „Gesamtpreis“ – gemeint ist das Entgelt für die Hauptleistung, das bei Abonnements in den Kosten pro Abrechnungszeitraum (Abonnementzeitraum) besteht – bei Abschluss des Testabonnement-Vertrages nicht ordnungsgemäß mitgeteilt wird, dann solle im Umwandlungszeitpunkt in ein entgeltliches Normalabonnement ein Widerrufsrecht entstehen (EuGH C-565/22 Rz 49, 50). Dass die fehlende Angabe des Gesamtpreises nach der Systematik der Richtlinien und des FAGG streng genommen keinerlei Auswirkung auf das Widerrufsrecht hat, sondern „lediglich“ mit einer Verwaltungsstrafe bedroht ist (§ 19 FAGG), kümmert den EuGH offenbar nicht. Diese Ansicht des EuGH dürfte verallgemeinerungsfähig sein.
Für den Unternehmer bedeutet dies: Bei Abschluss eines Fernabsatzvertrages sollte der Preis unbedingt beziffert werden – sofern der Preis vorab nicht genannt werden kann, muss zumindest die Art der Preisberechnung angegeben werden (§ 4 Abs 1 Z 4 FAGG).