JUDIKATUR

OGH 8. 4. 2024, 1 Ob 15/24y: Zustellung im Ausland statt Aufnahme in die Ediktsdatei

In einer jüngeren OGH-Entscheidung ging es um die Frage der rechtskonformen Zustellung eines Zahlungsbefehls an eine Gesellschaft mit Sitz in Ungarn.

Diese Gesellschaft hatte zuvor eine Zweigniederlassung in Österreich, zur Zeit der Zustellungsversuche gab es jedoch einen Nachsendeauftrag; laut den zwei Postfehlberichten bezüglich der Adresse der Zweigniederlassung sei die Beklagte verzogen gewesen. Eine Zustellung an der im österreichischen Firmenbuch ersichtlichen Geschäftsanschrift in Ungarn war nicht versucht worden.

Das Erstgericht gab gleichwohl einem Antrag der Klägerin auf Aufnahme des Zahlungsbefehls in die Ediktsdatei (§ 92 ZPO) statt, wodurch die Zustellung hätte bewirkt werden sollen (§ 92 i.V.m. § 115 ZPO).

Im Exekutionsverfahren wehrte sich die ungarische Gesellschaft gegen die vermeintlich rechtswirksam erfolgte Zustellung und bekam Recht:

Auch die ausländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft ist eine maßgebliche Abgabestelle im Sinne des § 92 Abs. 1 ZPO. Eine Zustellung per Aufnahme in die Ediktsdatei hätte daher nur erfolgen dürfen, wenn auch an dieser Adresse keine Abgabestelle mehr bestand.

Der OGH hielt fest: „Damit ist Abgabestelle nach § 92 Abs 1 ZPO sowohl die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift des Rechtsträgers als auch die der Zweigstelle, an der die Zustellung der Klage jedenfalls zu versuchen ist, bevor eine „andere Abgabestelle“ in Frage kommt. Erst wenn an keiner dieser Anschriften zugestellt werden kann, stellt das Gesetz für die Möglichkeit einer Zustellung durch Aufnahme in die Ediktsdatei darauf ab, dass der Kläger keine „andere Abgabestelle“ nennen kann und sich eine solche auch für das Gericht nicht ohne weitere Ermittlungen ergibt.“

Im Ergebnis war daher das Vorgehen des Erstgerichts berechtigt, welches die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls aufgehoben und ausgesprochen hatte, dass der Zahlungsbefehl neuerlich der Beklagten zuzustellen sei.

Für die Praxis rückt damit die Bedeutung einer im Firmenbuch ersichtlichen ausländischen Adresse in den Vordergrund, wenn sich herausstellt, dass eine Zustellung an der Adresse einer inländischen Zweigniederlassung scheitert.

Weiterempfehlen