Die eheliche Errungenschaft als Gegenstand der nachehelichen Aufteilung – OGH 22. Juli 2020, 1 Ob 130/20d

Das dem österreichischen Ehegüterrecht zugrundeliegende Konzept der Gütertrennung findet seinen Ausdruck auch darin, dass bei Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe nur jenes Vermögen aufzuteilen ist, zu dessen Erwerb die Ehegatten während der Ehe beigetragen haben. Aufzuteilen ist also grundsätzlich nur die sogenannte eheliche Errungenschaft, das heißt all das, was von den Ehegatten während aufrechter ehelicher Gemeinschaft erarbeitet oder erspart wurde.

Konsequenterweise unterliegen demnach all jene Sachen, welche ein Ehegatte in die Ehe eingebracht oder während aufrechter Ehe geerbt oder von dritter Seite geschenkt erhalten hat, nicht der nachehelichen Aufteilung (§ 82 Abs 1 Z 1 EheG). Die Ehe bewirkt also in Ansehung dieser Vermögensgegenstände keine Vermögensverschiebung zwischen den Ehegatten.

Daher sind auch Wertsteigerungen einer von einem Ehegatten eingebrachten, diesem geschenkten oder an diesen vererbten Sache, die nicht auf gemeinsame Anstrengungen oder Konsumverzicht der Eheleute beruhen, sondern beispielsweise auf allgemeiner Preissteigerung zurückgehen, nicht Teil der Aufteilungsmasse (OGH RS 0057308 [T2]; RS 0057486 [T8, T9]), auch wenn der Wertzuwachs erst während der ehelichen Gemeinschaft eintritt.

Aus der Zeit vor der Eheschließung stammende Ersparnisse sind ebenso wenig aufzuteilen wie an deren Stelle tretende Surrogate wie etwa eine Liegenschaft, die mit dem von einem Ehegatten in die Ehe eingebrachten Geld erworben wurde (OGH RS 0057305).

Nur eine Wertsteigerung, die auf gemeinsamen Anstrengungen oder Konsumverzicht der beiden Ehegatten etwa in Form realer Investitionen beruht, ist im Rahmen der nachehelichen Aufteilung wertmäßig in Form einer Ausgleichszahlung an den zur Wertsteigerung beitragenden Ehegatten zu berücksichtigen (OGH 1 Ob 55/19y).

Im gegenständlichen Fall war eine Liegenschaft samt ehelichem Haus weit überwiegend aus Ersparnissen, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht hatte, finanziert worden. Auch die am Haus durchgeführten Bauarbeiten wurden überwiegend aus Mitteln, die dieser Ehegatte geerbt hatte, bezahlt.

Der andere Ehegatte war zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse außerdem nicht auf die Weiterbenützung der Ehewohnung angewiesen war, zumal dieser Ehegatte das Wohnbedürfnis mit der zugesprochenen Ausgleichszahlung von insgesamt EUR 350.000,00 decken konnte. Der  Ehegatte scheiterte daher mit dem Begehren, ihm das Eigentum oder zumindest ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht am Haus zuzuweisen.

Der zuständige Fachsenat des Höchstgerichtes stellt klar, dass die Frage der (realen) Einbeziehung einer Liegenschaft in die Aufteilungsmasse (§§ 81f EheG) von der vorzunehmenden Aufteilung nach Billigkeit (§ 83 Abs 1 EheG) strikt zu trennen ist. Der Umfang der Aufteilungsmasse hängt nämlich nicht davon ab, ob eine konkrete Aufteilungsentscheidung „billig oder sachgerecht“ ist. Das Ergebnis der Aufteilungsentscheidung hat billig und gerecht zu sein, kann aber die Aufteilungsmasse selbst nicht bestimmen (so auch schon OGH 1 Ob 55/19y).

 

 

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