Managementkrise: Vorstand, Geschäftsführer und ihre Haftung: Eine Entscheidung des OGH vom 16.12.2.2024, 9 Ob A 88/24t
Nach dem Sachverhalt verlor eine GmbH, die im Musikgeschäft tätig ist, aufgrund der Insolvenz ihrer Hausbank, einer C* AG, im Jahr 2020 rund 19,8 Mio. Euro. Naheliegend ist, dass es sich bei der C* AG um die Commerzialbank Mattersburg handelt.
Der Betrag befand sich auf einem Geschäftskonto der Bank, die jahrelang als Hausbank der Gesellschaft fungierte.
Die Klägerin argumentierte im Verfahren, soweit ersichtlich, zusammengefasst,
- dass der Geschäftsführer aufgrund der hohen Konzentration der Unternehmensgelder auf einem Konto eine existenzbedrohende Situation für das Unternehmen geschaffen habe.
- dass die Bank als Hausbank der Klägerin die angebotenen – gemeint wohl gegenüber damaliger Zinslage hohen – Zinsen nicht als Entgegengekommen gegenüber und zwecks Bindung langjähriger und regional orientierter Groß- bzw Stammkunden gewährt, sondern als „Pull-Faktor“ eingesetzt habe, um kriminelle Machenschaften länger verschleiern zu können.
Der OGH stellte zunächt klar, dass die Haftung eines Geschäftsführers nach § 25 Abs. 1 GmbHG eine Verschuldenshaftung ist, keine Erfolgshaftung. Vereinfacht gesagt, ein Geschäftsführer haftet nur, wenn er gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen hat, nicht aber allein deshalb, weil eine wirtschaftliche Entscheidung im Nachhinein ungünstig ausfällt.
Ex-ante-Betrachtung – Kein „Rückschaufehler“
Die Klägerin argumentierte, dass die Insolvenz der Bank ein vorhersehbares Risiko gewesen sei. Der OGH hielt dem entgegen, dass die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, immer aus einer ex-ante-Perspektive erfolgen muss und ein Rückschaufehler zu vermeiden ist. Im Haftungsprozess ist das Phänomen der Rückschaufehler regelmäßig ein Problem – hier hilft eine gute Sachverhaltsdokumentation und Sachverhaltsaufarbeitung (vgl. Klicka/ Milchrahm, Abwägungsprozesse bei Mietzinsminderungen wegen COVID-19, GRAU 2020/19, 66f bei FN 27)
Eine Entscheidung darf daher nicht mit dem Wissen aus der Zukunft bewertet werden. Dass die Insolvenz der Bank im Nachhinein einen Schaden verursachte, bedeutete nicht automatisch, dass der Geschäftsführer diese hätte vorhersehen müssen.
Keine Pflicht zur Diversifizierung der Bankguthaben
Ein wesentlicher Vorwurf der Klägerin war, dass der Beklagte die Gelder nicht auf verschiedene Banken verteilt hatte. Der OGH verneinte jedoch eine generelle Pflicht zur Diversifikation und betonte, dass das unternehmerische Risiko grundsätzlich die Gesellschaft trägt (Rn 11.2. der Urteilsbegründung). M.E. handelt sich wohl um keine allgemein gültige Aussage – letztlich hängt die Diversifikationsnotwendigkeit von den Umständen des Einzelfalls ab.
Business Judgment Rule – Schutz unternehmerischer Entscheidungen
Nach § 25 Abs. 1a GmbHG haftet ein Geschäftsführer nicht, wenn er sich bei unternehmerischen Entscheidungen an die Grundsätze der Business Judgment Rule hält. Ihm kam zugute, dass er die Bank als Hausbank über Jahre hinweg als verlässlich einschätzte (und auch durfte), sodass der Nichtabzug der Geldmittel nicht sorgfaltswidrig war (Rn 5.2. „vertraute“). Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass es konkrete Anzeichen für eine drohende Insolvenz der Bank gab. Die Klägerin argumentierte auch mit der „Signalwirkung“ der überhöhten Zinsen – der OGH musste dieses Argument wohl nicht weiter prüfen, weil die (außerordentliche) Revision der Klägerin dieses Argument nicht weiter verfolgte.
Keine erhöhte Sorgfaltspflicht für den ressortzuständigen Geschäftsführer
Die Klägerin argumentierte, dass der Beklagte als ressortverantwortlicher Geschäftsführer für Finanzfragen eine besondere Sorgfaltspflicht gehabt hätte. Der OGH stellte jedoch klar, dass das Gesetz keinen strengeren Maßstab für einen ressortverantwortlichen Geschäftsführer vorsieht:
„Einen gegenüber § 25 Abs. 1 GmbHG ‚erhöhten Sorgfaltsmaßstab‘ für einen ‚ressortzuständigen‘ Geschäftsführer sieht das Gesetz nicht vor.“
(Rn. 14.)
Dies bedeutet:
Die allgemeinen Sorgfaltsanforderungen gelten für alle Geschäftsführer gleichermaßen.
Ergebnis und Bedeutung der Entscheidung
Diese Entscheidung stärkt den Schutz von Geschäftsführern vor ex-post-Haftung und bestätigt, dass wirtschaftliche Risiken grundsätzlich die Gesellschaft und nicht ihre Geschäftsführer tragen.