Verjährungsfristen im Bestandrecht: MS Legal obsiegt vor dem OGH

Wir freuen uns über ein Anfang Februar 2023 zugestelltes Zwischenurteil des OGH vom 22.11.2022, 4 Ob 122/22b. Darin wurde nicht nur die Rechtsansicht unserer Kanzlei zu einer bis dato ungeklärten Frage des Verjährungsrechts bestätigt, sondern vor allem auch Rechtssicherheit für Bestandgeber geschaffen.

Worum geht es?
§ 1111 letzter Satz ABGB sieht vor, dass Bestandgeber Schadenersatzansprüche gegen Mieter/Pächter resultierend aus Beschädigung oder missbräuchlicher Abnutzung des Bestandobjekts innerhalb eines Jahres ab Rückstellung des Bestandobjekts gerichtlich geltend machen müssen. Ansonsten sind diese Schadenersatzansprüche erloschen.

Andererseits kennt das ABGB eine absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren (in Sonderfällen 40 Jahren). Diese Verjährungsbestimmungen werden von der Judikatur derart streng ausgelegt, dass die Verjährung bereits ab der schadensverursachenden Handlung beginnt und selbst dann wirksam wird, wenn der Schaden bis dahin noch gar nicht eingetreten oder erkennbar geworden ist.

Es war bisher unklar, in welchem Verhältnis diese Normen zueinanderstehen. Mit anderen Worten: Was gilt, wenn bei Rückstellung des Bestandobjekts die absolute Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist? Sind die Vermieter/Verpächter rechtlos, wenn sie nach Jahrzehnten ein beschädigtes oder missbräuchlich abgenutztes Bestandobjekt zurückerhalten?

Wie entscheidet der OGH?
Das Höchstgericht hat sich nun klar positioniert. Der OGH hat im Sinne eines fairen Interessenausgleichs bei – in der Praxis sehr häufig vorkommenden – langfristigen Bestandverhältnissen folgenden Rechtssatz geprägt:
Der Bestandgeber kann seine Schadenersatzansprüche gegen den Bestandnehmer gemäß § 1111 ABGB binnen einem Jahr ab Rückstellung des Bestandgegenstands auch dann noch geltend machen, wenn der Schaden schon mehr als 30 Jahre zuvor verursacht wurde.
Eine analoge Anwendung der in § 1489 Satz 2 ABGB geregelten absoluten Verjährungsfrist für allgemeine Schadenersatzansprüche findet in diesem Zusammenhang nicht statt.

Der OGH begründet das Ergebnis – im Einklang mit einer kurz zuvor ergangenen Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH 31.8.2022, VIII ZR 132/20) – vor allem damit, dass der Bestandgeber erst nach Rückgabe des Bestandobjekts in der Lage ist, sich aufgrund eigener Sachherrschaft ungestört ein umfassendes Bild vom Zustand des Bestandobjekts zu machen.
Das Team von MS Legal freut sich, damit einen Beitrag zur Klärung einer bis dato offenen Rechtsfrage geleistet zu haben.

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