Judikatur

Gewährleistungsrechtliche oder einvernehmliche Vertragsauflösung? – OGH 14.01.2025, 10 Ob 66/24i

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt übergab der Verkäufer dem Käufer einen mangelhaften Bürocontainer. Nachdem der Käufer Nachbesserung (Verbesserung) begehrte, bot der Verkäufer die einvernehmliche Vertragsauflösung an. Trotz diesbezüglicher Gespräche (der Käufer wäre mit der angebotenen Vertragsauflösung einverstanden gewesen, wenn der Verkäufer zusätzlich bestimmte, beim Käufer angefallene Kosten übernommen hätte) verlangte der Käufer weiterhin Nachbesserung des mangelhaften Containers. Weil der Verkäufer sich beharrlich weigerte, den Mangel zu beheben, löste der Käufer den Kaufvertrag sodann gewährleitungsrechtlich nach § 932 Abs 4 ABGB auf.

Im Rahmen der Gewährleistung kann der Käufer vom Verkäufer zunächst Nacherfüllung (Nachbesserung der mangelbehafteten Sache oder Nachlieferung einer mangelfreien Sache) verlangen. Hintergrund ist, dass dem Verkäufer von Gesetzes wegen eine zweite Erfüllungschance und damit die Wahrung seines Entgeltanspruches zugebilligt wird, wobei freilich der Verkäufer die Kosten der Nacherfüllung zu tragen hat. Aus bestimmten Gründen – etwa wegen beharrlicher Weigerung der Durchführung der Nacherfüllung oder wegen erfolglosen Verbesserungsversuches – kann der Käufer bei wesentlichen Mängeln (ein solcher liegt etwa vor, wenn der Mangel die Vereitelung des Zweckes der Kaufsache nach sich zieht: zB wasserundichte Gummistiefel) anstelle der Nacherfüllung das Kaufvertragsverhältnis beenden und den Kaufpreis gegen Rückgabe der (mangelhaften) Kaufsache zurückfordern (gewährleistungsrechtliche Vertragsauflösung nach § 932 Abs 4 ABGB; seit der Novelle 2022 [BGBl I 175/2021] kann diese Vertragsauflösung außergerichtlich durch Willenserklärung erfolgen, davor musste die Vertragsauflösung vor Gericht erklärt werden [„Wandlung“]).

Das Wesen der gewährleistungsrechtlichen Vertragsauflösung besteht darin, dass es sich um ein sogenanntes Gestaltungsrecht handelt. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es ohne Mitwirkung des Vertragspartners ausgeübt und gleichsam einseitig die Rechtslage verändert werden kann: Bei Vorliegen der Voraussetzungen (wesentlicher Mangel, keine [ordnungsgemäß] erfolgte Nacherfüllung) hat es der Käufer in der Hand, ohne Zutun des Verkäufers den Vertrag aufzulösen und rückabzuwickeln.

Hinweise für die Praxis:

In der unternehmerischen Praxis kommt es nicht selten vor, dass ein Kaufvertragsverhältnis nach Hervortreten eines Mangels einvernehmlich aufgelöst werden soll. Man kann in diesem Zusammenhang auch von „Auflösungsvertrag“ sprechen, dessen Zustandekommen der Mitwirkung der Vertragsparteien bedarf und damit – wie jeder Vertrag – mehrseitig ist. Aus rechtstechnischer Sicht handelt es sich dabei um ein von der gewährleistungsrechtlichen Auflösung nach § 932 Abs 4 ABGB losgelöstes Instrument. Der Auflösungsvertrag unterliegt daher – innerhalb der allgemeinen rechtlichen Grenzen wie etwa Sittenwidrigkeit – der Disposition der Vertragsparteien, sodass etwa (auf Tatbestandsebene) auch andere als die in § 932 Abs 4 ABGB normierten Auflösungsvoraussetzungen vereinbart werden können.

Die einvernehmliche Vertragsauflösung kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit für die Vertragsparteien vorteilhaft sein: Einerseits können etwa auch auf Ebene der Rechtsfolgen über die „bloße“ Auflösung und Rückabwicklung hinausgehende Punkte geregelt werden, zB ein etwaiger zusätzlicher Ersatz für käuferseitige Aufwendungen; andererseits erspart sich der Verkäufer dadurch die in der Praxis manchmal als störend empfundene Nacherfüllung.

Es ist zu beachten, dass bloße Gespräche über einen etwaigen einvernehmlichen Auflösungsvertrag einen Zusatz zu dem Gewährleistungsrecht darstellen, das heißt weder die zunächst gewährleistungsrechtlich geschuldete Nacherfüllung noch das einseitige gewährleistungsrechtliche Auflösungsrecht nach § 932 Abs 4 ABGB berühren oder gar ausschließen (aus Vorsichtsgründen und zur Klarstellung sollte der Käufer aber in einem wie dem vorliegenden Sachverhalt vorab darauf hinweisen, dass Gespräche über einen etwaigen Auflösungsvertrag seine Gewährleistungsrechte unberührt lassen): Der Käufer kann beispielsweise trotz (vergeblich) geführter Verhandlungen über einen Auflösungsvertrag die Nacherfüllung verlangen oder – bei Vorliegen der Voraussetzungen – den Vertrag nach § 932 Abs 4 ABGB durch Willenserklärung einseitig auflösen.

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