Die rezente Entscheidung des OGH vom 24.3.2021, 3 Ob 27/21y, befasste sich mit der Frage, wie das Schweigen des Werkbestellers (hier: Kläger) auf die Bekanntgabe von Mehrkosten durch die Werkunternehmerin (hier: Beklagte) sowie die Bezahlung der entsprechenden Teilrechnungen zu werten sind.
Dem Rechtsstreit ging die Mitteilung der Werkunternehmerin nach Arbeitsbeginn voran, in der sie mitteilte, dass zuzüglich zu dem von ihr vorgelegten Schätzungsanschlag von EUR 125.900,00 netto mit Mehrkosten im Ausmaß von EUR 36.817,00 zu rechnen sei. Weiters teilte die Werkunternehmerin mit, dass mittlerweile sämtliche Unklarheiten bezüglich Planung und Statik abgeklärt seien und daher davon auszugehen sei, dass keinerlei Unbekannte oder Überraschungen bei der Ausführung des Bauvorhabens zu erwarten seien; Extraleistungen, die erst künftig gewünscht würden, seien in der Kalkulation natürlich nicht berücksichtigt. Die ÖNORM B 2110 wurde wohl nicht vereinbart.
Das Berufungsgericht beurteilte diese Erklärung der Beklagten als Garantie für die Richtigkeit des (erhöhten) Kostenvoranschlags im Sinne des § 1170a ABGB und war der Meinung, der Kläger habe die Mehrkosten dadurch schlüssig akzeptiert, dass er nicht vom Vertrag zurückgetreten sei, sondern die entsprechende Teilrechnungen beglichen habe.
In seiner Revision brachte der Kläger vor, dass die Bezahlung von Rechnungen als bloße Willensbetätigung denkbar ungeeignet sei, eine Vertragsänderung auf einen Werkvertrag mit einem Fixbetrag herbeizuführen.
Das Höchstgericht bestätigt die Ansicht des Berufungsgerichts und nimmt in seiner Entscheidung Bezug auf die Grundregel, nach der das Schweigen auf ein Vertragsanbot grundsätzlich weder Annahme noch Ablehnung, sondern überhaupt keine Willenserklärung ist (OGH RIS-Justiz RS0047273 [T3]).
Mit Verweis auf eine Entscheidung aus dem Jahr 2020 bekräftigte der OGH jedoch seine Ansicht, wonach das Schweigen insbesondere dann entgegen der Grundregel als (konkludente) Zustimmung zu werten sei, wenn das Geschäft für den Schweigenden – wie im hier vorliegenden Fall aufgrund des Kostenvoranschlags unter Garantie – ausschließlich mit Vorteilen verbunden sei (OGH 3 Ob 103/20y).
Der Ansicht des OGH ist wohl zuzustimmen, wobei sich eine nähere Betrachtung der gesetzlichen Regelung des § 1170a ABGB zu (unverbindlichen) Kostenvoranschlägen lohnt.
Exkurs: Überschreitung des unverbindlichen Kostenvoranschlags
Dem Vertragsverhältnis der Streitteile lag ein Schätzungsanschlag zugrunde. Der Schätzungsanschlag ist dem unverbindlichen Kostenvoranschlag verwandt, wobei die Abgrenzung oft schwierig und im Einzelfall durch Vertragsauslegung zu klären ist (vgl. OGH RIS-Justiz RS0021993 [T2, T3, T4]).
Ist das Werk nur zu höheren Kosten herstellbar als zu jenen, die im Kostenvoranschlag berücksichtigt wurden, liegt eine Überschreitung des Kostenvoranschlags vor. Gemäß § 1170a Abs 2 ABGB hat der Werkunternehmer dem Werkbesteller die beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlags unverzüglich anzuzeigen, da er sonst seinen Mehrkostenanspruch verliert. Im Falle der ordnungsgemäßen Anzeige hat der Werkbesteller entweder die höheren Kosten zu tragen oder die Möglichkeit, vom Vertrag unter angemessener Vergütung der bereits geleisteten Arbeit zurückzutreten.
Auf die Gründe der Überschreitung des Kostenvoranschlags kommt es nicht an, insbesondere spielt es keine ausschlaggebende Rolle, ob die Überschreitung etwa auf notwendige Mehrarbeiten oder auf ein Steigen der Rohstoffpreise und Löhne zurückgeht (OGH RIS-Justiz RS0022072 [T6]). Nach einem Teil der Rechtsprechung ist etwa eine Überschreitung ab ca. 15 % der Gesamtsumme als beträchtlich anzusehen (vgl. OGH 5 Ob 758/80).
Fazit:
Grundsätzlich ist an der – in der Praxis oft unbeachteten – Grundregel, dass bloßem Schweigen kein Erklärungswert zukommt und dieses folglich schon gar nicht als Zustimmung gewertet werden darf, im Sinne der Rechtssicherheit auch weiterhin festzuhalten. Es gibt jedoch Einzelfälle, die wie hier einer abweichenden Beurteilung bedürfen.
Im vorliegenden Fall hat es der Werkbesteller gänzlich unterlassen, sich nach erfolgter ordnungsgemäßer Anzeige gegen die – hier wohl als beträchtlich zu qualifizierenden – Mehrkosten auszusprechen. Für eine Billigung der mitgeteilten Mehrkosten spricht auch das Verhalten des Werkbestellers, nämlich die anstandslose Bezahlung der Teilrechnungen der Werkunternehmerin.
Neben der Tatsache, dass dem Verhalten des Klägers hier die Bedeutung einer Zustimmung beigemessen werden kann (vgl. OGH RIS-Justiz RS0014126), lässt auch die Unterlassung der nach § 1170a Abs 2 ABGB geforderten Rücktrittserklärung an die Werkunternehmerin diese Wertung zu.
In Hinblick auf die (noch) andauernde Pandemie und der damit verbundenen Unsicherheiten sowie volatilen Preise in der Baubranche ist es dennoch (weiterhin) empfehlenswert, deutliche schriftliche Abmachungen mit seinem Vertragspartner zu treffen.