Werkvertragsrecht und Steuerrecht

Werklohnanspruch bei Abbestellung netto oder doch brutto? – OGH fragt nach bei EuGH (Beschluss vom 25. 9. 2023, 6 Ob 55/23s)

Bei einem Werkvertrag kann von Auftraggeber-(Werkbesteller-)seite vor Ausführung des Werks jederzeit vom Vertrag zurückgetreten, also das Werk abbestellt werden.

Die Abbestellung des Werks führt zur vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses. Mit der Abbestellung entfällt die Pflicht des Auftragnehmers zur (weiteren) Herstellung des Werks, ohne dass ein Rücktritt des Auftragnehmers nötig ist.

Der Auftraggeber muss dann aber – Leistungsbereitschaft des Auftragnehmers vorausgesetzt – das vereinbarte Entgelt (den vereinbarten Werklohn) zahlen.

Der Auftragnehmer muss sich auf den vereinbarten Werklohn jedoch anrechnen lassen, was er sich infolge des Unterbleibens der Arbeit erspart oder was er durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Die Behauptungs- und Beweislast für diese Abzugsposten trägt allerdings der Auftraggeber.

Unterliegt der Werklohnanspruch – trotz Unterbleibens der Ausführung des Werks – nun der Umsatzsteuer und ist daher inklusive 20% Umsatzsteuer geltend zu machen oder hat der Auftragnehmer den Werklohn netto, also ohne Umsatzsteuer, einzufordern?

Diese höchst praxisrelevante Frage wurde in der oberstgerichtlichen Judikatur bis dato nicht behandelt. Im (vor allem steuerrechtlichen) Schrifttum wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass mangels realen Leistungsaustauschs (das Werk wird ja nicht ausgeführt) das Entgelt grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar sei, die bloße Leistungsbereitschaft des anspruchsberechtigten Auftragnehmers begründe keine Umsatzsteuerpflicht.

Im gegenständlichen Fall belief sich das von der Klägerin für (von der Auftraggeberin einseitig abbestellte!) Trockenbauarbeiten – nach Abzug der Ersparnisse der Klägerin – begehrte Entgelt auf netto EUR 1.252.995, die darauf entfallende 20%ige Umsatzsteuer belief sich auf EUR 250.599. Während das Erstgericht der Klägerin den Werklohn brutto, also inklusive Umsatzsteuer zusprach, vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, dass der Werklohnanspruch – mangels Leistungsaustauschs – nicht der Umsatzsteuer unterliege, weshalb das Begehren auf Bezahlung einer Umsatzsteuer in Höhe von EUR 250.599 abgewiesen wurde.

Der von der Klägerin mit Revision angerufene Oberste Gerichtshof (OGH) hat im Hinblick auf die Auslegungsbedürftigkeit der EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (RL 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006) und wegen zu ähnlichen Sachverhalten bereits ergangener Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), die entscheidungswesentliche Frage (Umsatzsteuerpflicht ja oder nein?) dem EuGH vorgelegt.

Dieser hat die Frage zu beantworten, ob der Betrag, den ein Werkbesteller dem Werkunternehmer auch dann schuldet, wenn die (vollständige) Ausführung des Werks unterbleibt, aber der Werkunternehmer zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Werkbestellers liegen (zum Beispiel die Abbestellung des Werks), daran gehindert worden ist, der Mehrwertsteuer unterliegt.

Bis zur Klärung dieser Frage durch den EuGH hat der OGH das Verfahren über die (auf Zuspruch der Umsatzsteuer abzielende) Revision der Klägerin unterbrochen. Die für das Verfahren vor dem OGH bindende Entscheidung des EuGH ist wohl frühestens in der 2. Jahreshälfte 2024 zu erwarten. Wir werden darüber unter Legal News berichten.

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