Gesellschaftsrecht und Organhaftung

Weiterhin das „böse“ Gesellschaftsrecht und die Organhaftung wegen verbotener Einlagenrückgewähr – Die Entscheidung des OGH 23.6.2021, 6 Ob 61/21w

In Haftungsprozessen werden Organe von Gesellschaften (Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte) erfahrungsgemäß häufig mit dem Vorwurf verbotener Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG, § 52 AktG) konfrontiert.  Dass es sich um ein praktisch risikoreiches Verbot handelt, dürfte mittlerweile weithin bekannt sein, zumal es in Detailfragen sehr umstritten ist.

Dass bei einem Verbotsverstoß zwangsläufig eine zivilrechtliche, unter Umständen auch eine strafrechtliche Haftung der Organe (Geschäftsführer, Vorstand, Aufsichtsrat) der verkürzten bzw geschädigten Gesellschaft in Betracht kommt, hat sich auch herumgesprochen. Die zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen führen dabei zu einer der Höhe nach unbeschränkten Schadenersatzpflicht der Organe für den bei der Gesellschaft eingetretenen Schaden.

Ein bislang in der Managementpraxis etwas unbeachtetes Themenfeld ist die Haftung der Organe jener Gesellschaft, die als Gesellschafterin eine verbotswidrige Leistung erhalten hat:

  • Ein Verbotsverstoß führt zunächst zu gesellschaftsrechtlichen bzw bereicherungsrechtlichen Rückzahlungspflichten des die verbotswidrige Leistung empfangenden Gesellschafters (oder einem ihm nach der Rechtsprechung gleichgestellten Dritten, zB OGH 25.6.2020, 6 Ob 21/20m).
  • Diese Rückzahlungspflicht trifft den empfangenden Gesellschafter: Ist der empfangende Gesellschafter selbst eine Gesellschaft, so ist auch nur die Gesellschaft zur Rückzahlung verpflichtet und nicht ihre Organe.
  • Dieser Umstand führt in der Praxis mitunter dazu, dass sich Organe der Gesellschafterin in Sicherheit glauben, wenn sie Organe der Tochtergesellschaften zu verbotswidrigen Leistungen anhalten. Das kommt in Konzernen erfahrungsgemäß häufiger vor, zumal in der Konzernrealität die Leitungsorgane der Konzernuntergesellschaften Weisungen der Konzernmuttergesellschaft regelmäßig befolgen und zwar selbst dann, wenn es sich um weisungsfreie Vorstände einer Aktiengesellschaft handelt (§ 70 AktG).
  • Hinzu kommt, dass weder eine Weisung noch eine Zustimmung einer Gesellschafterin eine verbotswidrige Leistung saniert und auch eine bloß mittelbar beteiligte Konzernmuttergesellschaft wohl vom Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst ist (OGH 25.6.2020, 6 Ob 21/20m [ErwGr 5]).

Die Entscheidung des OGH vom 23.6.2021, 6 Ob 61/21w, weist nun darauf hin, dass der Glaube an eine Sicherheit trügerisch sein kann:

Die (klagende) T-Gesellschaft bediente die Kreditverbindlichkeit ihrer Gesellschafterin (P-GmbH). Dass ein Verbotsverstoß vorliegt, wenn eine Gesellschaft die Verbindlichkeiten eines Gesellschafters trägt, liegt auf der Hand (OGH 2.4.2020, 6 Ob 13/20k). Offenbar löste die T-GmbH die Kreditforderung ein (§ 1422 ABGB) und übernahm damit auch das Einbringlichkeitsrisiko. Die außenstehende, nicht mit der T-Gesellschaft verbundene Kreditgeberin musste die empfangene Rückzahlung rückerstatten, weil ihre Geschäftsführerin (die Tochter des Gesellschafters der P-GmbH) von den Beteiligungsverhältnissen wusste und sich der Verbotsverstoß aufdrängen musste (zum „Aufdrängenmüssen“ zB OGH 25.04.2019, 6 Ob 35/19v).

Allerdings wurde auch die Geschäftsführerin der Kreditgeberin (persönlich) haftungsrechtlich in Anspruch genommen.  Der OGH bejahte die Haftung der Geschäftsführerin wegen absichtlich sittenwidriger Schädigung der T-Gesellschaft, weil die Geschäftsführerin vom Verbotsverstoß sowie davon wusste, dass die Kreditforderung nicht werthaltig war (§ 1295 Abs 2 ABGB).

Fazit:

Die vorgenannte Entscheidung zeigt wieder, dass bei verbotener Einlagenrückgewähr eine persönliche Haftung der Organe der Gesellschafterin für den Schaden in der verkürzten Tochtergesellschaft nach den Umständen des Einzelfalls nicht ausgeschlossen ist. Eine Inanspruchnahme ist vor allem dann wahrscheinlich, wenn die Gesellschafterin ihrerseits ihrer Rückzahlungspflicht wirtschaftlich nicht nachkommen kann.

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