Bankrecht

OGH 23. Juni 2021, 6 Ob 80/21i – Kreditwürdigkeit solidarisch haftender Kreditschuldner: Wieweit reicht die Prüfpflicht der Bank ?

2 Lebensgefährten – beide bereits in Pension – schließen gemeinsam einen Kreditvertrag („SuperschnellKredit“) über EUR 70.000,00 mit einer 10-jährige Tilgungsfrist ab. Nach Abdeckung älterer Kreditverbindlichkeiten verbleibt ihnen ein Restbetrag von rund EUR 39.000,00. Doch sowohl die Lebensgemeinschaft als auch der Kredit werden rasch notleidend:
Die Lebensgemeinschaft wird aufgelöst, die Zahlung der monatlich zu leistenden Kreditraten wird bereits nach 10 Monaten eingestellt.
Die ehemaligen Lebensgefährten bringen gemeinsam als Streitgenossen eine Klage gegen die kreditgebende Bank ein. Sie begehren u.a. die Aufhebung des Kreditvertrages. Dies gestützt auf den Vorwurf, die Bank hätte die Warnpflicht über die mangelnde Bonität der Kläger verletzt und hätte daher wegen deren finanziellen Situation den Kredit gar nicht gewähren dürfen!

Gemäß §7 Abs 1 Verbraucherkreditgesetz (VKrG) hat nämlich der Kreditgeber die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu prüfen und diesen zu warnen, wenn erhebliche Zweifel an dessen Fähigkeit zur vollständigen Kreditrückführung bestehen.
Im vorliegenden Fall stellte sich nun die – in der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch ungeklärte – Frage, wie die Bonitätsprüfung bei Solidarschuldnern vorzunehmen ist. Solidarschuldnerschaft bedeutet, dass jeder Schuldner den vollen Betrag schuldet und daher auch jeder Solidarschuldner allein auf den vollen Betrag in Anspruch genommen werden kann, wobei seine Zahlung dann auch für die anderen Solidarschuldner befreienden Charakter hat.
Ist nun bei Solidarschuldnern auf die gemeinsame Kredittilgungsfähigkeit beider (aller) Solidarschuldner abzustellen oder muss die Bonität jedes einzelnen Kreditschuldners zur ordnungsgemäßen Rückführung des gesamten Kredites ausreichen?

Das Höchstgericht hat diese Frage durch einen Rückgriff auf § 9 des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes (dieses regelt im Wesentlichen Kredite für den Erwerb von Immobilien) gelöst. Dort wird darauf abgestellt wird, ob die Kreditschuldner gemeinsam zur Rückzahlung des Kredits in der Lage sind. Da das Kreditvolumen bei Hypothekar- und Immobilienkrediten typischerweise höher ist als bei „normalen“ Konsumkrediten wäre nicht einzusehen, warum bei diesen strengere Bonitätsanforderungen gelten sollen. So die schlüssige Argumentation des Höchstgerichtes.

Die Klage wurde daher auch aus diesem Grunde abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof hat im Rahmen seiner ausführlich begründeten Entscheidung überdies einen wesentlichen Unterschied zwischen den möglichen Konsequenzen der Bonitätsprüfung nach dem Verbraucherkreditgesetz (VKrG) und dem Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz (HIKrG) aufgezeigt. § 7 Abs 2 VKrG sieht nämlich nur eine Warnpflicht des Kreditgebers vor, wenn die Bonitätsprüfung erhebliche Zweifel über die Kreditwürdigkeit des Kreditwerbers ergibt. Der Bank steht es also dessen ungeachtet frei, den Kreditvertrag abzuschließen Demgegenüber ordnet § 9 Abs 5 HIKrG für Hypothekar- und Immobilienkredite bei einem negativen Ergebnis der Kreditwürdigkeitsprüfung ein Verbot der Kreditvergabe (Abschlussverbot) an.

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