Verbraucherrecht aus Sicht des Unternehmers

Schiedsgutachterklausel in Verbraucherverträgen

OGH vom 23.11.2023, 5 Ob 167/23d

In Zusammenhang mit Projektliegenschaften finden sich in der Praxis bei Verträgen zwischen Unternehmern häufig – mit Schiedsvereinbarungen nicht zu verwechselnde – Schiedsgutachterabreden. Deren Zweck besteht darin, gewährleistungsrechtliche Fragen – in der Regel jene nach der Mangelhaftigkeit der Sache – im Streitfall außerhalb eines aufwendigen Gerichtsverfahrens abzuhandeln.

Im vorliegenden Fall geht es allerdings um einen Verbrauchervertrag, in concreto um den Kauf eines Wohnungseigentumsobjektes von der Bauträgerin. Gemäß Punkt 5.3. des Kaufvertrages sei einvernehmlich – andernfalls durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien – ein gerichtlich beeideter Sachverständiger zu bestellen, wenn zwischen den Kaufvertragsparteien kein Einvernehmen hinsichtlich des Bestehens eines Mangels oder der Sanierung eines Mangels vorliegt; die Kostenlast solle derjenige Kaufvertragspartner tragen, dessen Standpunkt durch den Schiedsgutachter widerlegt wird.

Eine solche Abrede ist mit Blick auf § 9 KSchG (zwar erging die Entscheidung zu § 9 KSchG idF vor der Gewährleistungsrechtsnovelle 2021, sie ist aber auch für dessen aktuelle Fassung belangvoll) fraglich, weil nach dieser Norm die Gewährleistungsrechte des Verbrauchers vor Kenntnis des Mangels nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können.

Die gegenständliche Schiedsgutachterabrede regelt das Verfahren zur Feststellung eines Mangels bzw der Mangelsanierung. Sie betrifft die Gewährleistungsrechte sohin nicht direkt – die einzelnen Gewährleistungsbehelfe (Rechtsfolge) bleiben unberührt –, geht es doch um die Frage der Mangelhaftigkeit (Tatbestand) bzw um die Methode der Nachbesserung. Nach den Gesetzesmaterialien zu dem GewRÄG 2001 erfasst § 9 KSchG allerdings nicht nur unmittelbare Beschränkungen der Gewährleistungsrechte, die bis hin zu deren Ausschluss oder einem Gewährleistungsverzicht gehen können, sondern auch Regelungen, die auf eine mittelbare Beschränkung der Gewährleistungsrechte hinauslaufen (RV 422 BlgNr 21. GP 24). Die Materialien nennen als Beispiele die Verkürzung der Gewährleistungsfrist sowie Bestimmungen, wonach der Kaufgegenstand etwa „keine gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ habe oder „mit Mängeln jeder Art zu rechnen“ sei; gerade anhand der zuletzt genannten Beispiele erkennt man, dass auch Einschränkungen auf Tatbestandsebene gegen § 9 KSchG verstoßen können. Kurzum: Der Verbraucher soll im Vergleich zu den ihm von Gesetzes wegen eingeräumten Gewährleistungsbestimmungen nicht schlechter gestellt werden.

Der OGH hält fest, dass die gegenständliche Schiedsgutachterabrede – obwohl diese freilich ergebnisoffen formuliert worden war – im Vergleich zu der gesetzlichen Lage nachteilig ist. Auf materiell-rechtlicher Ebene werden solche Abreden nämlich als Voraussetzung der Fälligkeit von Ansprüchen angesehen (in diesem Sinne etwa 7 Ob 51/09i), was sowohl hinsichtlich der primären Gewährleistungsbehelfe (Nachbesserung und Nachlieferung) als auch des § 1435 ABGB (Rückforderung nach Vertragsauflösung oder Preisminderung) von Belang ist, und zu einer verzögerten Geltendmachung der genannten Ansprüche führen kann. Darüber hinaus benachteilige eine solche Abrede den Verbraucher auch im Vergleich zu dem gerichtlichen Sachverständigenbeweis, namentlich insbesondere mit Blick auf die Mitwirkung und den Rechtsschutz des Verbrauchers. Ferner sei für den Fall der mangelnden Einigung eine Sachverständigenbestellung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gesetzlich nicht vorgesehen. Im Ergebnis geht der OGH sohin von einer Unwirksamkeit der gegenständlichen Schiedsgutachterabrede aus.

Für die unternehmerische Praxis kann festgehalten werden, dass jegliche vor dessen Kenntnis des Mangels zulasten des Verbrauchers vereinbarte Verschlechterung seiner Gewährleistungsrechte im Vergleich zu der gesetzlichen Lage ein Verstoß gegen § 9 KSchG darstellt (krit aus rechtspolitischer Sicht: Trenker, NZ 2024, 161).

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