Wohn- & Immobilienrecht

Der „trickreiche“ Umlaufbeschluss – Zur Wirksamkeit des Umlaufbeschlusses im WEG. OGH vom 21.12.2022, 5 Ob 34/22v

Mit dem Umlaufbeschluss räumt der Gesetzgeber – neben der gem. § 25 WEG alle 2 Jahre stattfindenden Eigentümerversammlung – einen alternativen, vermeintlich praktikableren, rein schriftlichen Weg zur Beschlussfassung ein. Auch bei diesem gilt, dass er erst zustande kommt, wenn jedem Wohnungseigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde.

Das gilt es zu beachten!

Während die Bekanntmachung des Abstimmungsergebnisses im Zuge einer Eigentümerversammlung gem. § 24 Abs 5 WEG nur die Anfechtungsfrist des Beschlusses auslöst, ist die Bekanntmachung des Abstimmungsergebnisses im Falle eines Umlaufbeschlusses Bedingung für die Bindungswirkung der abgegebenen Stimme selbst (vgl. RIS-Justiz: RS0106052). Bis zur Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses aus einem Umlaufbeschluss ist kein Wohnungseigentümer an die von ihm abgegebene Stimme gebunden.

Diese sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht ergebende Konsequenz stieß auf überwiegende Ablehnung in der Lehre. Der OGH bekräftigt seine Rechtsprechung mit der Entscheidung vom 21.12.2022, 5 Ob 34/22v nun ausdrücklich.

Die Intention des OGH liegt darin, das Anhörungsrecht aller Wohnungseigentümer auch bei der Beschlussfassung im Umlaufverfahren in vollem Umfang zu wahren. Die „Gelegenheit zur Äußerung“ (iSd § 24 Abs 1 S 2 WEG) umfasst eben nicht nur die Möglichkeit zur eigentlichen Stimmabgabe, sondern auch jene zur Werbung für den eigenen Standpunkt (RS0108769 [T10]). Nach abgegebener Stimme kann sohin immer noch mit anderen Wohnungseigentümern Rücksprache gehalten werden, ein Diskussionsprozess, welcher der Natur einer Eigentümerversammlung innewohnt und für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren nachgebildet werden soll. Dem OGH zufolge, ist die unterschiedliche Behandlung der Beschlussfassung im Umlaufweg sohin nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig.

Wie hat die Kundmachung des Abstimmungsergebnisses zu erfolgen?

Um Rechtsmissbrauch vorzubeugen, ist das Ergebnis der Stimmabgabe binnen angemessener Frist und ohne sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung bekanntzugeben. Kommt der Beschluss diesem Erfordernis nicht nach, so ist er nicht wirksam zustande gekommen (vgl. RIS-Justiz: RS0123022).

Der OGH stellt in seiner Entscheidung mit Referenz zu seiner Entscheidung vom 29.08.2018, 1Ob136/18h aber auch klar, dass die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zwar in aller Regel in einer der im § 24 Abs 5 WEG vorgesehenen Formen, sohin durch Hausanschlag oder schriftlich durch Übersendung zu erfolgen hat. Eine kumulative Kundmachung, wie sie § 24 Abs 5 WEG vorsieht, ist nach dieser ständigen Rechtsprechung für die Wirksamkeit des Umlaufbeschlusses allerdings nicht erforderlich. Der Beginn der Anfechtungsfristen setzt demgegenüber die doppelte Kundmachung gem. § 24 Abs 5 WEG sehr wohl voraus, wobei die Fristen vom Zeitpunkt des Anschlags an zu rechnen sind.

Wer ist zur Anfechtung aktivlegitimiert?

Aktivlegitimiert zur Anfechtung des Umlaufbeschlusses ist dabei nicht nur der vom Informationsdefizit selbst Betroffene, sondern jeder Wohnungseigentümer (vgl. RIS-Justiz: RS0118846), somit auch derjenige, der seine Stimme rechtzeitig abgegeben und vom Abstimmungsergebnis verständigt wurde, sofern dies für auch nur einen Wohnungseigentümer nicht der Fall war.

Im gegenständlichen Fall wurde der Anfechtung des Umlaufbeschlusses Folge gegeben. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde das Abstimmungsergebnis mehreren Wohnungseigentümern nicht bekannt gemacht; weder durch Hausanschlag noch durch schriftliche Übersendung oder auf andere Weise. Der angefochtene Beschluss ist damit im Sinne dieser Rechtsprechung nicht wirksam zustande gekommen. Auch im Falle des Nachholens der Bekanntgabe stünde der Wirksamkeit der angefochtenen Beschlussfassung die unzulässige Verzögerung der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses entgegen.

Fazit: Der Umlaufbeschluss im WEG ist m. E. mit nicht unmaßgeblicher Rechtsunsicherheit verbunden, sodass nach Möglichkeit der regulären Beschlussfassung im Rahmen der Eigentümerversammlung der Vorzug zu geben ist.

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