Zum Fernabsatzvertrag

Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über Fernkommunikationsmittel (typischerweise über das Internet) geschlossen werden, sind – ausgehend von der europäischen Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechte-Richtlinie) – in der österreichischen Rechtsordnung in dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) eigens geregelt. Sie sind regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen (siehe etwa OGH 6 Ob 36/20t: Kauf eines PKW von einem Händler per E-Mail).

Kern des FAGG sind einerseits die erhöhten Informationspflichten des Unternehmers (§ 7 iVm § 4 FAGG), wonach der Verbraucher unter anderem über das Rücktrittsrecht des § 11 FAGG zu informieren ist; und andererseits das Rücktrittsrecht selbst, das der Verbraucher – abweichend von dem allgemeinen Zivilrecht – ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen (bei Kaufverträgen berechnet sich diese Frist grundsätzlich ab der Inbesitznahme des Kaufgegenstandes) ausüben kann. Unterbleibt die Informationserteilung, verlängert sich die Rücktrittsfrist um bis zu zwölf Monate.

Aufgrund der weitreichenden Implikationen ist es aus unternehmerischer Sicht (etwa für Händler) entscheidend, einzuordnen, ob die eigene Geschäftstätigkeit dem Fernabsatz-Regime des FAGG unterliegt.

Hinweise für die Praxis:

Ein Fernabsatzvertrag liegt vor, wenn der konkrete Vertrag ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems geschlossen wird und bis zum Zustandekommen des Vertrages ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden (§ 3 Z 2 FAGG). Anknüpfungspunkte für die Beurteilung sind sowohl das Verhandeln und der Abschluss des Vertrages sowie die Ausrichtung des Vertriebssystems – zumindest auch – auf einen regelmäßigen Absatz per Fernabsatz. Nur wenn diese Elemente vorliegen, ist das FAGG einschlägig (OGH 2 Ob 44/23v). Auch das Vertriebssystem bezieht sich auf das Aushandeln und den Abschluss des Vertrages, nicht aber auf die Erfüllung des Kaufvertrages; ein organisiertes Versandsystem oä ist daher keine Voraussetzung für einen Fernabsatzvertrag.

Der prototypische Fall eines in einem entsprechenden Vertriebssystem eingebetteten Fernkommunikationsmittels ist die Website des Händlers, wobei nicht jeder Betrieb einer Website zwingend das FAGG auf den Plan ruft: Dient die Homepage nur der Information über den Händler (Kontaktdaten etc) oder über die angebotene Ware, ist aber für das Verhandeln/den Abschluss des Vertrages persönlicher Kontakt notwendig, liegt kein Fernabsatzgeschäft vor (Erwägungsgrund 20 der Verbraucherrechte-Richtlinie).

Allerdings ist darauf Bedacht zu nehmen, dass ein Fernabsatzgeschäft keinen standardisierten Geschäftsabschluss, etwa in einem Webshop, voraussetzt (OGH 9 Ob 39/22h); auch der Einsatz von Telefon, Fax, SMS oder E-Mail kann bei entsprechender organisatorischer Ausrichtung genügen. Der Wechsel zwischen den einzelnen Fernkommunikationsmitteln („Medienbruch“) hindert das Vorliegen eines Fernabsatzgeschäftes zudem nicht, solange nur bis einschließlich des Zustandekommens des Vertrages kein persönlicher Kontakt zwischen Händler und Kunde stattfindet.

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