Themenreihe

Themenreihe „Der Geschäftsführer“ – Vorsicht bei Treuhand: OGH 14. 7. 2022, 5 Ob 98/22f

Wie kann es sein, dass eine GmbH vor dem OGH nur „angeblich“ von einer Rechtsanwaltssozietät vertreten ist? Ein solcher Hinweis findet sich im Kopf der OGH-Entscheidung vom 14. 7. 2022, 5 Ob 98/22f.

Die Antwort gibt das Unternehmens- und Gesellschaftsrecht.

Damit ein Rechtsanwalt eine Gesellschaft vertreten kann, muss er entsprechend Vollmacht erhalten haben. Bei der GmbH sind primär die Geschäftsführer zur Vertretung der Gesellschaft – z.B. zur Vollmachtserteilung – berufen. Sind die Geschäftsführer selbst nicht wirksam bestellt, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit deren Vertretungshandelns.

Im konkreten Fall, welcher der OGH-Entscheidung zugrunde liegt, ging es um eine Grundbuchssache, in welcher die „vertretene“ Gesellschaft Einschreiterin war. Die aufgrund der Aktenlage bestehenden Zweifel des Erstgerichts bezüglich einer wirksamen Bevollmächtigung der Rechtsanwaltskanzlei hatten sich durch Erhebungen des Erstgerichts bestätigt:

  • Vorgelegt wurde die Rechtsanwaltsvollmacht, welche für die Gesellschaft von O* unterfertigt worden war.
  • In einem späteren Schriftsatz wurde festgehalten, dass O* mit Gesellschafterbeschluss von einem bestimmten Tag zum Geschäftsführer bestellt worden sei. Vorgelegt wurden sodann auch ein Notariatsakt, ein „Gesellschafterbeschluss“ und eine Firmenbuchanmeldung.

Für das Gericht war problematisch, dass der „Umlaufbeschluss“ von zwei Personen unterfertigt worden war, die im Firmenbuch zu keinem Zeitpunkt als Gesellschafter aufschienen. Auch O* war nicht ins Firmenbuch eingetragen worden.

Konsequenz war, dass der Nachweis der behaupteten Geschäftsführerposition des O* nicht gelang:

Für das Gericht war relevant, wer zum Zeitpunkt des „Bestellungsbeschlusses“ als Gesellschafter im Firmenbuch aufschien. Den eingetragenen Personen steht das Stimmrecht zu (§ 78 Abs 1 GmbHG). Treugeber können demgemäß auch keine Gesellschafterbeschlüsse fassen. Der „Umlaufbeschluss“ wurde als unwirksam qualifiziert.

Die Prozessvollmacht war daher ebenso als unwirksam anzusehen.

Die Treugeber hatten zwar am gleichen Tag die Annahme des Abtretungsangebotes für den treuhändig gehaltenen Geschäftsanteil erklärt (Formpflicht: Notariatsakt gemäß § 76 Abs 2 GmbHG), doch hielt der OGH hierzu fest:

Die am gleichen Tag erklärte Annahme des Abtretungsangebots für die angeblich treuhändig gehaltenen Geschäftsanteile … reicht nach der zitierten Rechtsprechung für sich allein nicht aus, um eine aus der Gesellschafterstellung abgeleitete Stimmberechtigung zu bewirken.“

(Anmerkung: Zu beachten ist auch, dass die Errichtung des Notariatsakts über die Angebotsannahme nicht ausreichend ist, damit der Geschäftsanteil übergeht; der Notariatsakt müsste dem Anbotsteller zugehen.)

Der Fall rückt auch die Bedeutung der Eintragungen im Firmenbuch in den Fokus:

  • Wären die Beschluss fassenden Personen bereits im Firmenbuch eingetragen, so wären sie gemäß § 78 Abs 1 GmbHG stimmberechtigt.
  • Wäre die für die GmbH auftretende Person als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen, wäre die Firmenbuchpublizität zu beachten und eine wirksame Vertretung möglich (§ 17 Abs 3 GmbHG).

Geschäftsführer und Personen, die es werden wollen, haben daher – unabhängig von der wirtschaftlichen Betrachtung (Wem „gehört“ die Gesellschaft?) – der rechtlichen Perspektive Beachtung zu schenken. Erschwerend kann in manchen Fällen allerdings hinzukommen, dass es Zerwürfnisse mit dem bisherigen Treuhänder/Geschäftsführer gibt; dies war auch im entscheidungsgegenständlichen Sachverhalt offenkundig der Fall, zumal es eine Anzeige der Treugeber gegen den Treuhänder wegen des Verdachts der Untreue gegeben hatte.

Für derartige mögliche Problemstellungen sollte im Rahmen der Planung und rechtlichen Ausgestaltung einer Treuhandschaft Vorsorge getroffen werden, um einen praktikablen und raschen Ausstieg aus einer Treuhandkonstruktion bewerkstelligen zu können.

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