Themenreihe

Themenreihe „Der Geschäftsführer“ – Der Geschäftsführer im Konzern: OGH 23.9.2022, 4 Ob 77/22k

Die dieser Besprechung zugrundeliegende Entscheidung des OGH (4 Ob 77/22k) zeigt eindrucksvoll das einer Konzernstruktur immanente Spannungsverhältnis zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern auf.

Im Fokus der Entscheidung steht ein Geschäftsführer (Einzelrechtsanwalt) einer Gesellschaft in einem Immobilienkonzern. Diese Gesellschaft hat eine Mehrheitsgesellschafterin (75%) sowie mehrere Minderheitsgesellschafterinnen. Dem gesetzlichen Normalfall entsprechend werden Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss bestellt. Der Bestellungsbeschluss erfordert mangels derogierender Satzungsbestimmung als Konsensquorum lediglich die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 39 Abs 1 GmbHG). Eine der Minderheitsgesellschafterin hatte aber offenbar ein satzungsmäßiges Entsendungsrecht für einen Geschäftsführer, das auch ausgeübt wurde.

In der Praxis kann das Entsendungsrecht durchaus Bestandteil der gesellschaftsrechtlichen Vorsorge für den sogenannten Konzerneingangsschutz darstellen (vgl dazu Milchrahm in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 115 Rz 100 mwN). Im Kern läuft es darauf hinaus, dass sich der Minderheitsgesellschafter dadurch vor nachteiligen Geschäftsführungsmaßnahmen einer vom Mehrheitseigentümer dominierten Geschäftsführung schützen will, wobei ein bloßes Entsendungsrecht ohne flankierende weitere gesellschaftsvertragliche Vorsorgemaßnahmen unzureichend sein kann.

Das vorliegende plakative Beispiel zeigt wiederum, dass privatautonome Kompetenzen auch im gesellschaftsrechtlichen Kontext mitunter große Regelungsspielräume zulassen, letztlich aber bei der konkreten Ausgestaltung von Satzungen eine behutsame Abwägung für den konkreten Fall geboten ist. Gerade in Konzernstrukturen mit divergierenden und sogar konkurrenzierenden Interessenlagen zwischen den Gesellschaftern sollten durch Satzung eingeräumte Berechtigungen wie Entsendungsrecht wohl überlegt sein.

Vor diesem Hintergrund kam es auch zum vorliegenden Rechtsstreit, bei welchem es vordergründig um – vereinfacht gesagt – ehrenrührige Äußerungen einer Rechtsanwaltskanzlei gegenüber dem entsendeten Geschäftsführer ging.

Dem Geschäftsführer wurde seitens der Rechtsanwaltskanzlei der Mehrheitsgesellschafterin eine unzureichende Geschäftsführung vorgeworfen. Der Geschäftsführer versuchte sich gegen diesen Vorhalt gerichtlich mit Unterlassungsbegehren, die sich auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen stützten, zu wehren. Der Vorwurf selbst dürfte vor allem im Kontext anderer – im Sachverhalt nicht klar erkennbarer – (Rechts-)Streitigkeiten zu sehen sein; er war offensichtlich Teil von Prozessbehauptungen. Beachtenswert ist, dass selbst herabsetzende Tatsachenbehauptungen gerechtfertigt sein können, wenn sie in Ausübung eines Rechtes aufgestellt wurden, was insbesondere für (zweckentsprechende) Prozessbehauptungen gilt (OGH 6 Ob 114/00h).

Bei Unterlassungsbegehren wegen herabsetzender Äußerungen stellen sich Zurechnungs- und Fragen der Passivlegitimation. Vereinfacht gesagt: Wer muss geklagt werden? Ansprüche nach § 1330 ABGB (Ehrenbeleidigung/Kreditschädigung) können sich zum Beispiel nicht nur gegen den unmittelbaren Täter richten, sondern auch gegen dessen Mittäter, Anstifter und Gehilfen, die den Täter bewusst fördern (OGH 6 Ob 95/05x [Vereinsobmann]). Im vorliegenden Fall wählte der Kläger die Rechtsanwaltsgesellschaft der Mehrheitsgesellschafterin und nicht den sich äußernden Rechtsanwalt als Klagegegner aus.

Weil er mit der beklagten Rechtsanwaltsgesellschaft auf dem „Geschäftsführermarkt“ im Wettbewerb stehe, sei die inkriminierte Vorgehensweise der beklagten Gesellschaft eine unlautere Handlung im Sinne des § 7 UWG.

Nach herrschender Definition besteht ein Wettbewerbsverhältnis dann, wenn wegen einer unlauteren Handlung zwischen den Vorteilen des einen und den Nachteilen des anderen Mitbewerbers eine Wechselbeziehung besteht, was insbesondere bei einem gemeinsamen Markt anzunehmen ist.

Im vorliegenden Fall wurde die Anwendbarkeit dieser wettbewerbsrechtlichen Norm über die Instanzen hinweg mit dem Argument verneint, die beklagte Rechtsanwaltsgesellschaft könne als juristische Person in keinem Wettbewerbsverhältnis mit dem klagenden Geschäftsführer stehen. Ein erforderlicher „Geschäftsführermarkt“ sei offenkundig nicht gegeben.

Im Ergebnis drang der Kläger mit seinen Unterlassungsbegehren nicht durch.

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