Themenreihe Geschäftsführer

Themenreihe „Der Geschäftsführer“ – OGH 18. 11. 2022, 6 Ob 42/22b: „Recht auf Bestellung eines Geschäftsführers“

Im Gesellschaftsvertrag einer GmbH fand sich folgende Regelung: „Für die Dauer ihrer Beteiligung als Gesellschafterin hat […] das Recht auf Bestellung eines Geschäftsführers (Sonderrecht gemäß § 50 Abs 4 GmbHG).

Das Berufungsgericht legte diese Regelung im Sinne eines Nominierungsrechts (nicht eines Entsendungsrechts) aus. Das macht einen beachtlichen Unterschied: Während ein Nominierungsrecht nur dazu führt, dass die anderen Gesellschafter grundsätzlich zur Stimmabgabe für die nominierte Person verpflichtet sind, kann auf Basis eines Entsendungsrechts die Bestellung eines Geschäftsführers durch Erklärung unmittelbar bewirkt werden.

Dass ein Sonderrecht vorliegt, war aufgrund der expliziten Bezugnahme unstrittig. Das Berufungsgericht zog für die Ermittlung des „Umfangs“ des Sonderrechts offenbar den – bereits in Zusammenhang mit Gesetzesbestimmungen (vgl. RIS-Justiz RS0008903) durchaus bezweifelbaren (siehe jüngst etwa Karollus, JBl 2022, 689 [696]: entspreche „längst nicht mehr den anerkannten Grundsätzen der Methodenlehre“) – Grundsatz heran, dass Ausnahmebestimmungen im Allgemeinen eng auszulegen seien.

Es schloss zudem aus dem Umstand, dass die Vertretungsbefugnis von der Generalversammlung festgelegt werden konnte, darauf, dass auch der Verbleib der „endgültigen Bestellungskompetenz“ bei der Generalversammlung praktikabel erscheine. Auch das Wort „Bestellung“ lasse nicht auf ein Entsendungsrecht schließen, was aus einer Zusammenschau der §§ 30b und 30c GmbHG (betreffend die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern) abgeleitet wurde. Letztlich spreche nach Ansicht des Berufungsgerichts auch die „geringere Einschränkung der Rechte der anderen Gesellschafter“ für die Annahme eines Nominierungsrechts.

Der OGH sah keinen Grund, die Auslegung des Berufungsgerichts zu verwerfen. Zwar stelle die objektive Auslegung eine revisible Rechtsfrage dar, doch komme ihr in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, bilde keine erhebliche Rechtsfrage.

Interessant ist, dass bereits in mehreren OGH-Entscheidungen auf die konkrete Klausel (i.Z.m. der konkreten Bestellung) Bezug genommen worden war: 6 Ob 22/21k, 6 Ob 23/21g, 6 Ob 38/21p und 6 Ob 39/21k. Zwar war von einem „Entsendungsrecht“ bzw. einer „Entsendungserklärung“ die Rede, doch war das Bestehen eines Entsendungsrechts in den Verfahren nicht entscheidungserheblich (Rechtsmittel waren aus anderen Gründen erfolglos).

Der OGH merkte an, dass die Verwendung des Wortes „Bestellung“ nicht auf eine bestimmte „Bestellungsvariante“ schließen lasse. Eine „Umdeutung“ der Bestimmung durch das Berufungsgericht verneinte der OGH, weil es keinen „klaren und eindeutigen“ Wortlaut gebe. Für den OGH wäre die Verwendung des Wortes „Entsendungsrecht“ offenbar eindeutig, wohl ebenfalls die Verwendung der Wortfolge „Recht, einen Geschäftsführer zu bestellen“.

Die Entscheidung ruft in Erinnerung, dass Verfahren, in denen es um Vertragsauslegungsfragen geht, oftmals nicht vor dem OGH zu gewinnen sind, sondern dass die (sprichwörtlichen) Würfel bereits in der Entscheidung des Berufungsgerichts fallen.

Mag die Ansicht des Berufungsgerichts samt Begründung nun individuell als „richtig“ empfunden werden oder auch nicht (immerhin würde man sich eher bei einem Nominierungsrecht eine entsprechende textliche Präzisierung erwarten, während ein „Recht auf Bestellung“ letztlich wie ein „Bestellungsrecht“ für ein Recht, selbst eine Person zu bestellen, sprechen mag), der Fall zeigt, dass bezüglich der Textierung von Gesellschaftsverträgen u.U. nachzuschärfen sein könnte, soweit dort von einem „Recht auf Bestellung“ die Rede ist und die jeweilige Regelung auch im systematischen Zusammenhang mit anderen Satzungsregelungen nicht zweifelsfrei ist. Dass auch Gesellschaftsverträge keine starren Regelwerke sind, die nach der Gründung einer Gesellschaft „vergessen“ werden können, sondern dass auch sie eines gewissen „Vertragsmanagements“ bedürfen, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Es empfiehlt sich, gesellschaftsvertragliche Regelungen in regelmäßigen Abständen zu prüfen oder prüfen zu lassen und ggf. Updates zu implementieren.

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