Themenreihe Geschäftsführer

Themenreihe „Der Geschäftsführer“ – Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten. (K)ein böses Erwachen und der OGH vom 25.10.2022, 2 Ob 152/21y

 

 

 

 

 

Geschäftsführerhaftung nur gegenüber der Gesellschaft oder auch eine Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern? (K)Ein böses Erwachen?

Der Geschäftsführer haftet nach § 25 GmbHG prinzipiell nur für eigenes, schuldhaftes Verhalten und somit grundsätzlich nur der Gesellschaft, nicht aber einzelnen Gesellschaftern oder Gläubigern („Innenhaftung“). Dritte können nur im Wege eines Exekutionsverfahrens auf diese Forderung zugreifen (gerichtliche Pfändung und Überweisung; vgl. §§ 294f., 303 EO)

Doch bestehen gewisse Ausnahmen, wenn das Verhalten des Geschäftsführers auch andere Vorschriften verletzt, womit (unter anderem) auch eine direkte Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten, insbesondere Gläubigern der Gesellschaft, bewirkt werden kann.

Beispiele sind:

  • Haftung des Geschäftsführers gegenüber Spielern bei Verstößen gegen Spielerschutzvorschriften des GSpG (OGH 6 Ob 168/19b)
  • Haftung einer Geschäftsführerin einer GmbH, die für die GmbH eine gegen des Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßende Leistung entgegennahm (OGH 6 Ob 61/21w)
  • Haftung des Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung (vgl. OGH 17 Ob 5/21s)

Auch wenn diese Fälle oftmals unter der Bezeichnung „Außenhaftung“ zusammengefasst werden, sind die Rechtsgrundlagen der Außenhaftung sehr vielfältig. In der Praxis bedarf es daher zur Feststellung, ob eine Außenhaftung in Betracht kommt, viel Erfahrung und einschlägiges Wissen.

Eine Forststraße, eine beschädigte Eisenbahn und die Haftung von Geschäftsführern eines Bauunternehmens gegenüber der Eisenbahngesellschaft – eine aktuelle Entscheidung des OGH vom 25.10.2022, 2 Ob 152/21y

Nach dem Sachverhalt verlief eine Forststraße, die nach Forstrecht genehmigt worden war, oberhalb einer Bahntrasse der Österreichischen Bundesbahnen.

Wetterbedingt kam es zu einem Murenabgang, der die Bahntrasse bzw. die darauf befindlichen Gleise teilweise verlegte. Der Murenabgang ließ erkennen, dass die Übersteilung des Hanges, die Schüttungen und die Geländeabtragungen im Bereich der Forststraße zu einer lokal geringeren Stabilität geführt hatten.

Gleichzeitig fehlte auch eine Bewilligung nach dem Eisenbahngesetz (§ 43 Abs. 3 EisBG), die notwendig gewesen wäre, weil die Forststraße im sogenannten Gefährdungsbereich der Eisenbahn lag (§ 43 Abs. 1 EisBG). Dieses Bewilligungserfordernis wurde sowohl von der Forstbehörde als auch vom Errichter der Forststraße sowie von dem Planungs- und Bauunternehmen übersehen (die forstrechtliche Bewilligung wurde im Nachhinein aufgehoben).

Das Eisenbahnunternehmen musste nun die Schäden und Mängel beseitigen (vgl. § 45 EisBG) und begehrte – nebst anderen Forderungen – Kostenersatz vom Halter der Forststraße, von der Gesellschaft, welche die Forststraße geplant und deren Errichtung beaufsichtigt hatte, und vom Bauunternehmen (in der Rechtsform einer GmbH), das die Erdbauarbeiten für die Forststraße durchgeführt hatte.

Das Eisenbahnunternehmen forderte – im hier gegebenen Kontext relevant – den Kostenersatz auch von den Geschäftsführen des Bauunternehmens.

§ 61 Abs. 4 ForstG normiert nun eine besondere Sorgfaltspflicht, wonach sich neben dem Bauwerber die befugte Fachkraft für die Bauaufsicht und die mit der Durchführung des Baues Beauftragten vor Beginn der Arbeiten zu unterrichten haben, ob und zutreffendenfalls unter welchen Bedingungen und Auflagen die Errichtung der Bringungsanlage zulässig ist. Der OGH vereinte i.d.Z. zunächst – m.E. zutreffend – ein Verschulden aller Beklagten in Bezug auf die Unkenntnis des Bewilligungserfordernisses (Rechtsirrtum), insbesondere weil ein deckungsgleicher Rechtsirrtum der Forstbehörde vorlag (vgl. u.a. Punkte 6.5. ff. der Entscheidung).

Das Eisenbahnunternehmen behauptete aber auch eine mangelhafte Errichtung der Forststraße und eine mangelnde Einhaltung der Auflagen im ursprünglichen, forstrechtlichen Bewilligungsbescheid. Diese Mangelhaftigkeiten können zu einer Haftung der Bau- und Planungsunternehmen führen.

Der OGH lehnte aber eine Außenhaftung der Geschäftsführer des Bauunternehmens ab:

Die gesetzliche Ausgangslage spräche im Allgemeinen dagegen, Geschäftsführer Dritten gegenüber haftbar zu machen, wenn sie nur im Rahmen ihres gesellschaftsrechtlichen Verantwortungsbereichs agiert haben.

Vielmehr sei für eine Dritthaftung die Verletzung einer eigenen, nicht nur der Gesellschaft obliegenden Pflicht zu fordern. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestünde in der schuldhaften Verletzung eines Schutzgesetzes. Der OGH verneinte aber im Ergebnis das Vorliegen eines Schutzgesetzes insbesondere in Bezug auf § 61 ForstG, der die Sorgfaltspflicht des Bauunternehmens festlegt (Punkt 2.5. der Entscheidung).

Fazit:

  • Eine Außenhaftung von Geschäftsführern bedarf einer eigenen Begründung.
  • Eine fehlende Außenhaftung schließt aber die Haftung eines Geschäftsführers nicht abschließend aus: Konkret kann dem Bauunternehmen im fortgesetzten Verfahren schließlich dadurch ein Schaden entstehen, wenn es zum Kostenersatz verurteilt wird. Dieser Schaden könnte möglicherweise bei Erfüllung aller sonstigen Haftungsvoraussetzungen (§ 25 GmbHG) auch von der Gesellschaft gegenüber ihren Geschäftsführen geltend gemacht werden.

Abgesehen von diesem Themenkreis gibt es im Übrigen auch besondere gesetzliche Haftungstatbestände für Geschäftsführer, insbesondere für Abgaben und Steuerrückstände (z.B. § 9 BAO; § 67 ASVG) – aber das ist einen andere Themenstellung.

Hinweis: Die Entscheidung ist darüber hinaus facettenreich und aufgrund zahlreicher anderer rechtlicher Hinweise lesenswert.

 

Weiterempfehlen