Gesellschaftsrecht, Immobilienrecht

Themenreihe „Der Geschäftsführer“ – sein dringendes Wohnbedürfnis und eine Mietvertragskündigung: OGH 12. 10.2022, 1 Ob 174/22b

Im Todesfall des bisherigen Wohnungsmieters können seine nahen Angehörigen („Eintrittsberechtigte“) in das Mietvertragsverhältnis eintreten (§ 14 MRG). Voraussetzung ist – neben anderen Erfordernissen – vor allem ein dringendes Wohnbedürfnis der Eintrittsberechtigten. Nach der Rechtsprechung ist ein dringendes Wohnbedürfnis als schutzwürdiges Interesse zu qualifizieren und wird dann verneint, wenn eine andere ausreichende Unterkunft zur Verfügung steht (vgl OGH RIS-Justiz RS0069974)

Der Oberste Gerichtshof musste sich in seiner aktuellen Entscheidung vom 12.10.2022, 1 Ob 174/22b, im Rahmen eines Aufkündigungsverfahrens mit dem dringenden Wohnbedürfnis und der gesellschaftsrechtlichen Position eines GmbH-Geschäftsführers beschäftigen:

  • Nach dem Sachverhalt war der Eintrittsberechtigte (und Beklagte) auch Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Strittig war sein dringendes Wohnbedürfnis, weil der Eintrittsberechtigte ein Mietverhältnis an einer anderen Wohnung, deren Mieter er ursprünglich war, mit Zustimmung seines Vermieters dieser GmbH übertragen hatte.

Streitentscheidend war somit die Beantwortung zweier Fragen:

Mutwillige Herbeiführung eines dringenden Wohnbedürfnisses ? 

  • Die Übertragung an die GmbH erfolgte Jahre vor dem Tod des Mieters, sodass der OGH ihm diese Übertragung a priori nicht als mutwillige Herbeiführung eines dringenden Wohnbedürfnisses anlastete (zur mutwilligen Herbeiführung s zB OGH 8 Ob 105/18a; 9 Ob 82/02b).

Kein dringendes Wohnbedürfnis durch Nutzung der Mietwohnung der GmbH?

Könnte der Eintrittsberechtigte als Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH über das (übertragene) Mietverhältnis an der Wohnung verfügen, wäre unter Umständen eine (das dringende Wohnbedürfnis ausschließende) Alternativwohnung vorgelegen. Der Vermieter argumentierte auch mit der „vollen Dispositionsmacht“ des Eintrittsberechtigten als Geschäftsführer.

Damit rückt die gesellschaftsrechtliche Stellung des Geschäftsführers in den Vordergrund:

  • Der Eintrittsberechtigte hatte als Geschäftsführer schon deshalb keine volle Dispositionsmacht, weil er selbst nur Minderheitsgesellschafter war. Zutreffend verwies der OGH in diesem Zusammenhang auf die Weisungsbefugnis der Generalversammlung. Diese bildet als höchstes Organ den Willen der Gesellschaft, an den der Geschäftsführer gebunden ist (siehe dazu einführend Arlt, Generalversammlung, in RDB Keywords, 1.Auflage). Eine bloß faktische Nutzung der Wohnung hätte daher jederzeit von der Generalversammlung untersagt werden können.
  • Der Eintrittsberechtigte konnte sich auch durch einen Vertragsabschluss die private Nutzung der Wohnung nicht sichern, weil es sich um ein Insichgeschäft gehandelt hätte. Ein solches Insichgeschäft hätte nämlich einer Zustimmung der Generalversammlung – im Ergebnis die Zustimmung des Mehrheitsgesellschafters – bedurft, da es andernfalls – mit Ausnahme einiger, hier nicht einschlägigen Sonderkonstellationen – rechtsunwirksam wäre (OGH RIS-Justiz RS0059477; OGH 4 Ob 146/02b).

Eine „Rückübertragung des Mietverhältnisses“ von der GmbH auf den Eintrittsberechtigten wäre ferner auch von der Zustimmung des Vermieters dieser Wohnung abhängig gewesen: Schuldrechtliche Vertragsübernahmen erfordern grundsätzlich die Zustimmung aller Betroffenen (Lukas in Kletečka/Schauer, ABGB-ON [1.01] § 1406 Rz 15 mwN).

Diese (gesellschafts-)rechtliche Position des Eintrittsberechtigten zum Zeitpunkt des Todes des Mieters als maßgeblichen Zeitpunkt (OGH RS0069970) ermöglichte daher dem Eintrittsberechtigten keine rechtlich gleichwertige und abgesicherte Alternativwohnung (OGH RIS-Justiz RS0068181). Demzufolge bejahte der OGH zutreffend das dringende Wohnbedürfnis, womit der Aufkündigung des Vermieters nicht Folge gegeben wurde.

Zum Sonderfall einer Einpersonen-GmbH, bei welcher der Eintrittsberechtigte Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist, musste sich der OGH somit nicht äußern. Hier wäre die gesellschaftsrechtliche Position des geschäftsführenden Alleingesellschafters anders ausgestaltet: Der Gesellschaftswille wird durch einen schlichten Entschluss des (geschäftsführenden) Alleingesellschafters gebildet (Baumgartner/Mollnhuber/U.Torggler in U.Torggler, GmbHG [2014] § 35 Rz 2 f). Aber auch der geschäftsführende Alleingesellschafter hat zwingende Grenzen einzuhalten, etwa das Verbot der Einlagenrückgewähr (vgl zum Verbot der Einlagenrückgewähr einführend Milchrahm, Kapitalerhaltung und Satzungsgestaltung in der dienenden Gesellschaft, GRAU 2020/4, 10ff). Letzteres könnte beispielsweise bedeutsam sein, wenn das Mietverhältnis für die GmbH aufgrund eines geringen Mietzinses wirtschaftlich vorteilhaft wäre. Auch bei einer Einpersonen-GmbH wird man also auf die Umstände des Einzelfalls abstellen müssen.

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