Rechtsprechung

Gesellschafterausschluss: Streit über das Anwesenheitsquorum

Eine rezente Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (18.05.2022, 6 Ob 72/22i) behandelt zwar eine Fragestellung auf Basis eines individuellen Gesellschaftsvertrages (mag es sich möglicherweise auch um ein „gängiges Muster“ gehandelt haben), zeigt aber ein verbreitetes praktisches Problem auf:

Im Kern ging es um die Frage, ob der Beschluss über den Ausschluss eines Mitgliedes (Gesellschafters) aus einer Jagdgesellschaft (in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts) wirksam erfolgt ist. Der Gesellschaftsvertrag setzte im Allgemeinen für die Beschlussfähigkeit voraus, dass zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind. Das Berufungsgericht bezog das Anwesenheitsquorum auf alle Mitglieder, nicht nur auf konkret bei der Beschlussfassung über den Gesellschafterausschluss stimmberechtigte Mitglieder, was der OGH nicht beanstandete. Die gesellschaftsvertraglich vorgesehene Option, eine nochmalige Einberufung vorzunehmen, war von den Gesellschaftern nicht genutzt worden.

Es zeigt sich, dass Beschlussfassungserfordernissen in der Praxis rechtzeitig Beachtung geschenkt werden sollte, auch um den Aufwand gerichtlicher Verfahren möglichst zu vermeiden. Das setzt bereits bei der Gestaltung eines Gesellschaftsvertrages an, mit welcher sich die Gesellschafter idealerweise auch selbst auseinandersetzen sollten, damit die gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Abläufe zu den praktischen Erfordernissen passen und die Gesellschafter „ihren“ Vertrag (mag er auch von Rechtsanwält:innen textiert worden sein) kennen. Gleiches gilt, wenn alte Vertragstexte zu überarbeiten sind. Nicht selten sind bei älteren Texten Nachbesserungen und Klarstellungen zweckmäßig.

Zudem sind die gesellschaftsvertraglichen Vorgaben bei Vorbereitung auf eine Gesellschafterversammlung und bei deren Durchführung zu berücksichtigen. Bei streitanfälligen Beschlussfassungen könnten gegen die Zulässigkeit einer Beschlussfassung geäußerte Bedenken Anlass dazu sein, eine „sichere“ Vorgangsweise zu wählen; im vorliegenden Kontext bestand offenbar die gesellschaftsvertragliche Möglichkeit einer nochmaligen Einberufung, bei welcher die Anwesenheit von zwei Dritteln nicht mehr erforderlich gewesen wäre.

Erkennen Gesellschafter nachträglich, dass eine Beschlussfassung fehlerhaft ist, sollte – pragmatisch – die Möglichkeit einer Wiederholung der Beschlussfassung („Sanierung“) ausgelotet und ggf. umgesetzt werden.

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