Immobilienrecht - Immobilienwirtschaft in der Krise

Themenreihe „Immobilien in der Krise (2): Firesale – Schnäppchen? Der insolvenznahe Verkauf – Eine Falle?

Für Immobilienunternehmen in der Krise geht es häufig um die Überwindung von temporären Liquiditätsengpässen. Ein Mittel hierfür kann der Verkauf von Immobilien sein, wenngleich bei offenkundigen Krisensituationen besonders die Gefahr unterpreisiger Verkäufe besteht. Bei erheblich unterpreisigen Verkäufen in besonderen Situationen spricht man in der Praxis auch vom „Firesale“, der unter der Bezeichnung „Notverkauf“ etwa auch von Steuerbehörden anzuerkennen sein kann (siehe z.B. Liebhabereirichtlinien 2012 Rz. 19).

Die Notsituation kann Verkäufe mit Preisabschlägen rechtfertigen, freilich nicht unbeschränkt. Es geht somit zunächst um die Pflichtenlage der Organe der veräußernden Gesellschaft. Da die Organe die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft sorgfältig zu wahren haben, sind aus den bestehenden denkbaren Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Liquidität jene auszuwählen, welche die Interessen der Gesellschaft am besten wahren und zugleich (voraussichtlich) umsetzbar sind.

Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten, beispielsweise:

Gesellschaftsrechtlicher Rahmen?

So kann sich die Frage stellen, ob eine Maßnahme (etwa der Verkauf einer Immobilie) den gesellschaftsvertraglichen Vorgaben und der Beschlusslage entspricht. Hat z.B. die Generalversammlung einer GmbH die Geschäftsführung angewiesen, dass die Liegenschaft nicht unter EUR  1 Mio. verkauft werden soll, darf die Liegenschaft nicht ohne Weiteres für einen Kaufpreis von EUR 950.000,00 verkauft werden. Nur, was ist rechtens, wenn die Geschäftsführer zur Abwendung der Insolvenz und zur Unternehmenssanierung die Liegenschaft um EUR 950.000,00 verkaufen müssten, aber die Gesellschafter sich über eine  – die alte Gesellschafterweisung abändernde – Zustimmung nicht einig sind? Andererseits ist etwa bei der GmbH im Zweifel ohnedies die vorherige Zustimmung der Generalversammlung einzuholen, wenn der Verkauf als außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme zu qualifizieren oder an der Billigung der Gesellschafter zu zweifeln ist.

Auch Sonderkonstellationen können zu berücksichtigen sein, etwa: Werden ein Gesellschafterbeschluss und einen Notariatsakt benötigt, weil das ganze (oder fast das ganze) Vermögen der Gesellschaft (z.B. die letzte Immobilie) übertragen werden soll (§ 237 AktG, bei der GmbH analog; siehe hierzu u.a. RIS-Justiz RS0132064)?

Pflichtwidrigkeit des Verkaufs?

Sofern weder gesellschaftsrechtliche noch gesetzliche Vorgaben bestehen, kann ein unternehmerisches Ermessen (Business Judgment Rule gemäß § 25 Abs. 1a GmbHG, § 84 Abs. 1a AktG) bestehen. Man sagt, im Vordergrund steht das Handeln zum Wohl der Gesellschaft auf Basis angemessener Informationen unter Außerachtlassung sachfremder Interessen. Dies gilt für Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder in gleicher Weise (zum Aufsichtsrat vgl. Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 33 Rz. 17).

Es geht also bei der Gestaltung eines Immobilienverkaufs darum, die notwendigen Parameter einer sorgfältigen unternehmerischen Entscheidung für die besondere Sachverhaltskonstellation zu identifizieren und abzuwägen (siehe Milchrahm, GRAU 2020, 10 [12]).

Dort, wo kein Ermessensspielraum wahrgenommen wird, bestehen – auch – die strafrechtlichen Grenzen, sodass die handelnden Personen – auf Verkäufer-, aber auch auf Käuferseite – gut daran tun, die Grenzen im Hinblick auf Insolvenzdelikte und weitere Delikte, z.B. Untreue (§ 153 StGB), zu kennen (vgl. zu Insolvenzdelikten Reisch in Kert/Kodek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht2 [2022] Kap. 6).

Die rechtlichen Grenzen können sich bei Notverkäufen u.U. positiv für die Verkäuferin auswirken, denn es wird die Käuferin ein maßgebliches Interesse daran haben, dass der Kaufvertrag über die von ihr erworbene Immobilie rechtswirksam und möglichst nicht anfechtungsgefährdet ist. Der Kaufpreis kann daher auch in einer Notsituation nicht beliebig gestaltet werden. Es mag zwar die allgemeine Grenze der laesio enormis (§§ 934, 935 ABGB) überwindbar sein, zumal sie zulasten einer Unternehmerin ausgeschlossen werden kann (§ 351 UGB; hierzu vgl. Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK UGB I4 § 351), doch läuft die Käuferin u.U. Gefahr, dass die besonderen Umstände des Verkaufs die Rechtswirksamkeit des Vertrages unterminieren (z.B. Wucher gemäß § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB).

Muss die Käuferin an der Zulässigkeit des Verkaufs zweifeln, etwa weil gesellschaftsinterne Schranken der Verkäuferin überschritten werden, dann besteht die Gefahr der unwirksamen Vertretung der Verkäuferin (zu den Unwirksamkeitsfolgen des sog. „Missbrauchs der Vertretungsmacht“ siehe z.B. RIS-Justiz RS0019576, RS0061587, RS0016733).

Verkauf im Nahebereich einer Insolvenz?

Im Nahebereich zur Insolvenz der Verkäuferin stellen sich regelmäßig Unsicherheiten aufgrund der insolvenzrechtlichen Anfechtungsbestimmungen (§§ 27 ff. IO). Die unterschiedlichen Anfechtungstat­bestände decken zahlreiche Fälle der Vermögensminderung ab. Deshalb bestehen besondere Handlungspflichten und Überlegungen sowohl bei der Käuferin als auch bei der Verkäuferin – man muss für jeden Einzelfall das Risiko prüfen und beurteilen.

Einschlägig könnte etwa der Tatbestand der Vermögensverschleuderung sein (§ 28 Z. 4 IO): Anfechtbar sind die im letzten Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner eingegangenen Kauf-, Tausch- und Lieferungsverträge, sofern der andere Teil in dem Geschäft eine die Gläubiger benachteiligende Vermögensverschleuderung erkannte oder erkennen musste. Die Gefahr einer solchen nachträglichen Anfechtung lässt sich somit über die Vereinbarung eines angemessenen Preises reduzieren. Mitunter werden deshalb in der Praxis Fairness Opinions eingeholt (dazu vgl iZm M&A-Transaktionen, Aders/Swoboda-Brachvogel, Die neuen Fairness Opinion Standards der DVFA als zentrale Richtlinien im deutschsprachigen Raum, CFOaktuell 2023, 95ff).

Sonstige Anfechtungstatbestände (z.B. Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 31 IO, Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht nach § 28 IO) müssen gleichwohl mitbedacht werden. So ist zB die Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (§ 31 IO) gefürchtet, weil unter anderem ein Kennenmüssen der Zahlungsunfähigkeit des Käuferin (neben anderen Vorrausetzungen) schon ausreicht (vgl. König/​Trenker, Die Anfechtung nach der IO6 Rz 11.24 mwN). Nur, was ist rechtens, wenn schon in den Medien vom Sanierungsfall des Immobilienunternehmens die Rede ist?

Die Kauf- sowie Verkaufsentscheidungen müssen daher sorgfältig in der Krise abgewogen werden, zumal die Rechtsfolgen vor allem für die Käuferin i.d.R. überaus nachteilig sind (vgl § 41 IO; Trenker, Gegenansprüche des Anfechtungsgegners gem § 41 IO, ÖJA 2023/9). Auch die Gestaltung und Abwicklung eines Kaufvertrages erfordern ferner eine Rücksichtnahme auf die besonderen Umstände der Transaktion, auch um auch etwaigen Vorwürfen einer nicht sorgfaltskonformen Vorgangsweise von Gesellschaftsorganen entgegenzutreten.

Da – je nach Sachverhalt – ggf. mit der Insolvenz der Verkäuferin gerechnet werden muss, stellt sich beispielsweise die Frage nach der praktischen Relevanz von Zusicherungen und Gewährleistungen (u.a.) seitens der Verkäuferin. Eine Reduktion von vertraglichen Pflichten der Verkäuferin könnte durch eine angemessene – somit sachlich begründete – Verringerung des Kaufpreises ausgeglichen werden. Da eine Insolvenzeröffnung Auswirkungen auf noch nicht erfüllte Verträge haben kann (siehe insb. § 21 IO, wonach der Insolvenzverwalter auch vom Vertrag zurücktreten kann), sind auch diesbezüglich vorsorgliche Maßnahmen zu setzen. Was auch sonst bei Transaktionen gilt, gilt in einem solchen Fall besonders: Es kommt auf die zeitgerechte Einholung von Sachverhaltsinformationen und deren Berücksichtigung bei Erfüllung der rechtlichen Rahmenbedingungen an.

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