Konsumentenschutzrechtliches Rücktrittsrecht bei vertauschten Rollen im Verbrauchergeschäft?

Bei Verbraucherverträgen führen spezifische Situationen – zB Auswärtsgeschäfte (Vertragsschluss unter Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten) oder Fernabsatzgeschäfte (Vertragsschluss über Fernkommunikationsmittel), jeweils nach FAGG – von Gesetzes wegen zu einer (vorvertraglichen) Informationspflicht aufseiten des Unternehmers sowie zu einem verbraucherseitigen Rücktrittsrecht.

Mit Verbrauchergeschäft wird landläufig (verkürzt) assoziiert, dass der Unternehmer die „Dienst“- oder Sachleistung (etwa Reparatur oder Verkauf von Ware) erbringt, wohingegen der Verbraucher Empfänger dieser Leistung – zB als Käufer – ist und dementsprechend seinerseits Entgelt schuldet.

Doch gelten die obgenannten Implikationen (Informationspflicht des Unternehmers und Rücktrittsrecht des Verbrauchers) auch, wenn die Rollen im Rahmen eines sogenannten inversen Verbrauchergeschäftes vertauscht sind, der Verbraucher etwa als Verkäufer und der Unternehmer als Geldschuldner auftreten (bspw Verkauf eines PKW an einen Gebrauchtwagenhändler [ErläutRV 744 BlgNr 14. GP 17; OGH 10 Ob 7/22k])?

Hinweise für die Praxis:

Das FAGG ist seit der Novellierung 2022 (BGBl I 109/2022) ausdrücklich nur noch auf Verbrauchergeschäfte mit „klassischer“ Rollenverteilung anwendbar, bei denen der Verbraucher die Geldleistung erbringt (§ 1 Abs 1 Z 1 FAGG). Bei inversen Auswärts- oder Fernabsatzgeschäften besteht daher keine vorvertragliche Informationspflicht des Unternehmers und kein Rücktrittsrecht des Verbrauchers nach FAGG.

Anderes gilt im Rahmen des KSchG: Dieses enthält in § 3 ein an das FAGG angelehntes aber im Verhältnis zu diesem subsidiäres Rücktrittsrecht bei „Haustürgeschäften“. Es soll der Vermeidung von Lücken im Verbraucherschutz dienen und ist dann relevant, wenn das FAGG nicht anwendbar ist (§ 3 Abs 3 Z 4 KSchG). Eine dahingehende Einschränkung, dass auch dieses Rücktrittsrecht generell nur bei Verbrauchergeschäften mit „klassischer“ Rollenverteilung einschlägig sein soll, ist weder dem Gesetzestext noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen.

Anders als die (vor allem in der Literatur gebräuchliche) Bezeichnung vermuten lässt, ist der Anwendungsbereich des „Haustürgeschäftes“ dabei relativ weit gefasst: Es soll immer dann vorliegen, wenn der Verbraucher seine Vertragserklärung außerhalb der von dem Unternehmer dauernd genutzten Geschäftsräume – also zB in den eigenen Wohnräumen – abgibt und dabei für den Verbraucher typischerweise eine psychologische Drucksituation droht (EB 89 BlgNR 25. GP 14). Hintergrund ist, dass ein rechtsgeschäftlicher Kontakt für den Verbraucher in den Geschäftsräumen des Unternehmers in aller Regel nicht unerwartet ist (§ 3 Abs 3 KSchG nennt ferner Situationen, in denen typischerweise keine Überrumpelungsgefahr und daher kein Rücktrittsrecht besteht, zB Vertragsanbahnung durch den Verbraucher selbst); außerhalb genannter Räumlichkeiten nimmt der Gesetzgeber hingegen grundsätzlich die Gefahr einer potentiellen Überrumpelung an.

Im Ergebnis kann den Unternehmer auch bei inversen Verbrauchergeschäften im Falle eines „Haustürgeschäftes“ gemäß § 3 KSchG eine vorvertragliche Informationspflicht treffen und kann der Verbraucher innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss ohne Angabe von Gründen formlos zurücktreten; das Rechtsgeschäft müsste dann rückabgewickelt werden. Es gilt zu beachten, dass sich die Rücktrittsfrist bei (zunächst) unterlassener oder nicht ordnungsgemäßer Informationserteilung (Schriftlichkeit; zu den inhaltlichen Erfordernissen siehe § 3 Abs 1 KSchG) etwa über den Bestand des Rücktrittsrechtes auf bis zu ein Jahr und 14 Tage verlängern kann. Aus unternehmerischer Sicht ist daher eine entsprechende Informationserteilung unbedingt geboten.

Weiterempfehlen