In einer rezenten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ging es um die Folgen der (gerichtlichen) Irrtumsanfechtung eines Anteilskaufes. Die Käuferin erwarb im Jahr 2018 jeweils 100% der Geschäftsanteile dreier Gesellschaften, worunter sich auch eine GmbH befand, deren Eigenkapital das angenommene buchmäßige Eigenkapital von EUR 10.000,00 unterschritt.
Aus dem Sachverhalt (vereinfacht): Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war das Eigenkapital der GmbH mit fast EUR 180.000,00 im Minus. Es bestand eine rechnerisch buchmäßige Überschuldung und eine Überschuldung zu Liquidationswerten. Dass das Eigenkapital negativ war, erfuhr die Käuferin am 13.06.2018 im Rahmen einer Nachbesprechung. Am 30.09.2020 verkaufte die Käuferin den Geschäftsanteil an eine Investorin um EUR 1,00 weiter; im Jänner 2021 wurde über das Vermögen der GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet.
Die ursprüngliche Käuferin brachte gegen ihre Verkäuferin Klage auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises (ca. EUR 68.000,00) ein, wobei sie den Kaufvertrag vom 02.05.2018 wegen Irrtums anfocht. Die Beklagte entgegnete, dass ihr der Unternehmenswert der GmbH, welcher zum 02.05.2018 EUR 698.000,00 betragen habe, zu ersetzen sei (Einwendung einer Gegenforderung und Erhebung einer Widerklage), wobei sie vorbrachte, dass die Berufung der Klägerin gegen Treu und Glauben verstoße, weil diese trotz Kenntnis der Umstände bewusst am Vertrag festgehalten habe.
Da die Beklagte mit ihrem Anspruch vor den Unterinstanzen gescheitert war, ging es vor dem OGH um die Frage, inwieweit der Beklagten Wertersatz (Zug um Zug) zu leisten ist. Tatsächlich entschied der OGH (anders als das Berufungsgericht), dass die Klägerin als unredlich anzusehen sei, weil sie trotz Kenntnis des Aufhebungsgrundes und damit ihres Gestaltungsrechts (seit 13.06.2018) über die zurückzustellende Sache verfügt habe (Weiterverkauf im Jahr 2020). Die Klägerin habe somit nicht den erzielten Vorteil (EUR 1,00) herauszugeben, sondern grundsätzlich den Verkehrswert bzw. ein verkehrsübliches Entgelt.
Hierzu weiter der OGH: „Daraus ist abzuleiten, dass der unredliche Bereicherungsschuldner die Höhe des Wertersatzes nicht durch Hinausschieben der Geltendmachung des Gestaltungsrechts willkürlich beeinflussen und etwa einen Wertverlust des Kaufgegenstands herbeiführen oder in Kauf nehmen darf. Bei einer erst späteren Geltendmachung des Gestaltungsrechts (nach Kenntnis von der Gestaltungsmöglichkeit) muss er sich daher so behandeln lassen, als ob er den Kaufgegenstand sofort bei Kenntnis der Rückgabepflicht zurückgestellt hätte.“
Der OGH hielt weiters fest, dass die festgestellte Überschuldung der GmbH nicht bedeute, dass der Wert zum 13.06.2018 (erstmalige Kenntnis vom Gestaltungsrecht) zwingend mit null anzusetzen ist. Da der objektive Unternehmenswert (Verkehrswert) der GmbH zum 13.06.2018 im Verfahren nicht festgestellt wurde, hob der OGH die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens auf.
Die Entscheidung des OGH ruft in Erinnerung, dass die Folgen einer Irrtumsanfechtung in Sonderkonstellationen u.U. schwerwiegend sein können. Eine Klärung des Sachverhalts mit der zugehörigen Chronologie der Ereignisse kann daher entsprechend bedeutsam sein.