Immobilienrecht - Immobilienwirtschaft in der Krise

Themenreihe „Immobilien in der Krise“: Kaufoption in der Insolvenz des Verkäufers – eine Entscheidung des OGH vom 24. 11. 2022, 17 Ob 14/22s

In der Immobilienwirtschaft kommen nicht selten Kaufoptionen über eine Liegenschaft vor. Sachlich gerechtfertigt sind Kaufoptionen z.B. durch das berechtigte Interesse des Kaufinteressenten während einer (häufig kurz bemessenen) Optionsfrist, die Eigenschaften, insbesondere die Nutzungsmöglichkeiten der Liegenschaft, selbst abzuklären und sich in dieser Zeit die Kaufmöglichkeit zu wahren. Für den Verkäufer kann der Vorteil in einer Verringerung seines Gewährleistungsrisikos liegen, wenn dafür der Käufer die Liegenschaft detailliert prüft.

Gerade in der derzeitigen Wirtschaftslage ist das rechtliche Schicksal der Kaufoption in der Insolvenz des Verkäufers besonders aktuell. In einem solchen Fall kommen zwei Möglichkeiten nach dem Insolvenzrecht in Betracht:

  • Entweder ist die Kaufoption ein „Antrag“ nach § 26 IO, dann erlischt die Option ex lege und ohne daraus resultierenden (Schaden-)Ersatzanspruch des Kaufinteressenten,
  • oder die Option wird als zweiseitiger Vertrag qualifiziert und der Insolvenzverwalter hat nach § 21 IO das Wahlrecht, in die Option einzutreten oder von der Option zurückzutreten, wenn der Optionsvertrag zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt wurde. Bei Vertragsrücktritt erhält der Kaufinteressent einen Schadenersatzanspruch, der als Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann (dazu Perner in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 § 21 Rz 47 ff mwN).

In der Entscheidung vom 24. 11. 2022, 17 Ob 14/22s, hatte sich der OGH nun mit einem Miet- und Kaufoptionsvertrag zu beschäftigen. Nach dem Sachverhalt wurde die Liegenschaftseigentümerin und Vermieterin insolvent und die Mieterin übte nach Insolvenzeröffnung die Kaufoption aus. Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, dass die Option nach § 26 IO erloschen ist; daraus resultierte ein Prüfungsprozess, weil die Mieterin und Klägerin ihren Schaden als Insolvenzforderung anmeldete und diese vom Insolvenzverwalter bestritten wurde (zum Prüfungsprozess s § 110 IO; dazu zB Jelinek in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 § 110 IO Rz 1ff).

Das Ganze hatte die bemerkenswerte Nuance, dass die Mieterin die Liegenschaft nach einem Verwertungsverfahren mit einem höheren Kaufpreis (als durch die Option vorgesehen) durch einen gesonderten Kaufvertrag selbst erwarb, jedoch ohne, dass der Insolvenzverwalter vom durch Optionsausübung allenfalls zustande gekommenen Kaufvertrag zurücktrat. Daraus folgten zwangläufig weitere  – hier nicht mehr interessierende – verfahrens- und materiellrechtliche Themenstellungen (dazu z.B. Anzenberger, Kein Erlöschen entgeltlicher Optionen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ZIK 2023/87).

Der OGH behandelte das Mietverhältnis und das Optionsverhältnis separat („gespaltene Betrachtung“; s Rn 48ff der Urteilsbegründung), sodass zunächst der Insolvenzverwalter in das Mietverhältnis nach § 24 IO ipso iure eintrat.

Im Anschluss an die Darstellung des Meinungstandes bejahte der OGH für die konkrete Option die Anwendung des § 21 IO und lehnte folglich ein Erlöschen der Option ex lege nach § 26 IO ab. Da die Kaufoption entgeltlich war – die Mieterin zahlte Optionsentgelt lange vor Insolvenzeröffnung -, musste sich der OGH mit anderen Konstellationen nicht beschäftigen.

Deshalb machte er ausdrücklich den (sinngemäßen) Vorbehalt, dass die Frage, ob § 26 IO auf unentgeltliche Optionen anzuwenden wäre, hier nicht zu entscheiden sei, ebenso wenig der Fall, dass eine Option bereits eingeräumt, das Entgelt aber zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht entrichtet ist (Rn 44 der Urteilsbegründung). Man wird die weitere Rechtsprechung abwarten müssen.

Zur Begründung der Rechtsansicht des OGH ist anzumerken: Der OGH knüpft die Grenzziehung zwischen Antrag nach § 26 IO und (zweiseitigen) Vertrag nach § 21 IO an die Unterscheidung von einseitigen Angeboten nach § 862 ABGB („Antrag“) von vertraglich vereinbarten Gestaltungsrechten in Form einer Option an (Rn 37ff der Urteilsbegründung). Die beiden Fälle unterscheiden sich, weil sich im ersten Fall die Bindung des Anbotstellers aus dem Gesetz (§ 862 ABGB), im zweiten Fall aus Vertrag ergibt (siehe z.B. dazu Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 862 Rz. 7). Das Erscheinungsbild nach „außen“ – die Bindungswirkung – kann wohl gleichartig sein, gleichwohl sind es im Anschluss an die zutreffende Ansicht von Kletečka eben doch unterschiedliche Rechtsgründe der Bindungswirkung (Kletečka, OGH 24.11.2022, 17 Ob 14/22s, ÖBA 2023, 521 ff). Im Ergebnis ist m.E. die Ansicht von Kletečka zutreffend, dass § 26 IO auch auf unentgeltliche vertraglich eingeräumte Optionen nicht anwendbar ist.

Im Ergebnis kann der Insolvenzverwalter nach dem OGH von der Kaufoption nach § 21 IO zurücktreten; ist aber der Vertrag ins Ansehung der Kaufoption bereits vollständig erfüllt, weil – wie im konkreten Fall – das Optionsentgelt vollständig entrichtet war, so tritt der Insolvenzverwalter in die Kaufoption e contrario § 21 Abs 1 IO ein.

Wird die Kaufoption dann gegenüber dem Insolvenzverwalter auch tatsächlich ausgeübt, so kommt ein (idR) beidseits noch nicht erfüllter Kaufvertrag zustande. Allerdings setzt § 21 IO für das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ein vor Insolvenzeröffnung zustande gekommenes Vertragsverhältnis voraus, sodass der OGH – mE zutreffend – § 21 IO analog anwenden musste (Rn 49 der Urteilsbegründung). Im Ergebnis obsiegte die Mieterin (Klägerin) im Prüfungsprozess (allerdings aus anderen Gründen lediglich teilweise).

Für die Praxis ist somit relevant, dass bei Rücktritt des Insolvenzverwalters vom durch Optionsausübung zustande gekommen Kaufvertrag ein Schadenersatzanspruch nach § 21 IO besteht, der immerhin als Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann.

Fazit:

Will ein Kaufinteressent die Kaufmöglichkeit  absichern, kommt es mE auf die konkrete Gestaltung dieser Absicherung und auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, ob die Absicherung bei einer nachfolgenden Insolvenz des (potentiellen) Verkäufers ex lege („automatisch“) erlischt oder nicht. Soweit kein „automatisches“ Erlöschen stattfindet, sollte der Insolvenzverwalter bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 IO von einer vertraglich vereinbarten Option selbst oder von dem nach Ausübung der Option zustande gekommenen Kaufvertrag zurücktreten können. In der Praxis wird der Insolvenzverwalter auch eine Erfüllung von Anfechtungstatbeständen (§§ 27ff IO) in Bezug auf die Option und ggf. den Kaufvertrag überprüfen.

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