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OGH: Der 17. Senat zum Thema Untreue – Abkehr vom Libro-Urteil

5.09.2018 | Dr. Roman Alexander Rauter

Seit den großen Wirtschaftsstrafrechtsfällen steht der strafrechtliche Tatbestand der Untreue (§ 153 StGB) hinsichtlich einiger wesentlicher Aspekte in Diskussion. Ein Versuch, eine überschießende Anwendung des Tatbestands abzuwenden, wurde mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 (BGBl I 2015/112) unternommen, mit welchem bekanntlich § 153 StGB neu gefasst wurde.

Der OGH hatte jüngst Gelegenheit, sich mit der grundlegenden – und praktisch bedeutsamen – Frage der Einwilligung des Machtgebers zu beschäftigen (19. 4. 2018, 17 Os 15/17k). Ohne Zweifel richtig ist im Grundsatz, dass die Einwilligung des Machtgebers einen Befugnisfehlgebrauch des Machthabers ausschließt, was bei natürlichen Personen als Machtgebern noch relativ unproblematisch ist. Bei Gesellschaften (im Anlassfall eine GmbH) stellt sich mitunter eine Reihe von Fragen, insbesondere wenn es sich um Konzernsachverhalte mit längeren Beteiligungsketten handelt.

Der OGH hält fest, dass bei einer GmbH das Einverständnis von den Gesellschaftern gegeben werden kann. Interessant ist, dass der 17. Senat obiter explizit auch die AG anspricht und festhält, dass für die AG nichts anderes gelte, weil auch § 70 Abs 1 AktG dem nicht entgegenstehe. Damit distanziert sich der 17. Senat vom Rechtssatz der Libro-Entscheidung (vgl Ratz, Der Senat 17 distanziert sich vom sog Libro-Urteil, EvBl-LS 2018/114).

Diese deutliche Aussage ist zu begrüßen, zumal es tatsächlich keine ausreichenden Gründe dafür gibt, den Aktionären keine vergleichbare Zustimmungsmöglichkeit zuzugestehen. § 153 StGB schützt den wirtschaftlich Berechtigten (dies betont auch der OGH unter Hinweis auf die Neufassung der Bestimmung) und es liegt keinesfalls nahe, Aktionären nur deshalb die Wirksamkeit einer Zustimmung zu verwehren, weil in § 70 AktG auch die Interessen von Arbeitnehmern und öffentliche Interessen genannt werden. Die AG ist nämlich wie die GmbH eine „Veranstaltung der Gesellschafter“ (so die bekannte Formulierung von Wiedemann).

Für die Erteilung der Zustimmung ist zu beachten: Ist die einzige Gesellschafterin ihrerseits eine Gesellschaft oder (wie im entscheidungsgegenständlichen Fall) eine juristische Person des öffentlichen Rechts, so sind die Gesellschafterrechte – wie der OGH zutreffend ausführt – im Außenverhältnis durch das vertretungsbefugte Organ wahrzunehmen, was auch die Erklärung einer tatbestandsausschließenden Zustimmung einschließt. Das vertretungsbefugte Organ ist (grundsätzlich) wiederum gehalten, die Interessen des von ihm vertretenen Rechtsträgers zu wahren. Diese Verpflichtung im Innenverhältnis kann ausnahmsweise auch auf das Außenverhältnis, dh auf die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung, durchschlagen, nämlich wenn der Vertreter der Muttergesellschaft mit dem Vertreter der Tochtergesellschaft kollusiv zusammenwirkt, dh die Muttergesellschaft (bzw die juristische Person des öffentlichen Rechts) geschädigt werden soll. Für einen solchen Fall sprach der OGH zutreffend aus, dass die Zustimmung nicht tatbestandsausschließend wirkt. Abschließend hielt der 17. Senat auch fest, dass die von ihm dargestellten Grundsätze auch für die Zeit vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 gelten.

Nicht Gegenstand der Erörterung seitens des OGH war eine denkbare Sachverhaltskonstellation, dass der Vertreter einer Muttergesellschaft dem Vertreter der Tochtergesellschaft zwar die Zustimmung erklärt oder ihn sogar zu einem bestimmten Verhalten anweist, die Sorgfaltswidrigkeit des Verhaltens aber nur dem Vertreter der Muttergesellschaft bekannt ist, während der Vertreter der Tochtergesellschaft mangels anderweitiger Informationen auf die Ordnungsmäßigkeit vertraut. In diesem Fall greifen die Grundsätze der Kollusion nicht, weshalb man von einer Wirksamkeit der Zustimmung auszugehen haben wird. Allerdings wird eine Untreue des Vertreters der Muttergesellschaft zu Lasten derselben in Betracht kommen, sofern nicht die Gesellschafter der Muttergesellschaft wirksam zugestimmt haben.

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