Judikatur

Pflegschaftsgerichtliche Genehmigung für gesellschaftsrechtliche Maßnahmen

Eine relativ kurze OGH-Entscheidung aus dem Jahr 2021 (14. 9. 2021, 6 Ob 159/21g) hatte einen Fall zum Gegenstand, der die Geschäftsführung zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung betraf: Die (für alle in § 269 Abs 1 Z 1–8 ABGB genannten Vertretungsbereiche zuständige) Erwachsenenvertreterin eines in intensivmedizinischer Behandlung befindlichen GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers beantragte die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung mehrerer Rechtsgeschäfte, nämlich:

  • einer Änderungsvereinbarung zum bestehenden Syndikatsvertrag,
  • einer Änderung des Gesellschaftsvertrags
  • und von Stimmabgaben für den Betroffenen zur Änderung der Gesellschaftsverträge sowie zur Beschlussfassung über die Änderung der Zeichnungsbefugnisse eines Geschäftsführers in den beiden Gesellschaften.

Das Erstgericht wies die Anträge ab, das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung. Das Rekursgericht führte aus, dass die Beurteilung, ob ein Geschäft des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs vorliegt, eine Einzelfallbeurteilung erfordert. Es sei auf das wirtschaftliche Risiko und darauf abzustellen, ob es sich um eine vorläufige oder endgültige Maßnahme handelt (und auf deren Dauer). In concreto gehörten die Maßnahmen, die darauf abzielten, die Gesamtvertretungsbefugnis der Geschäftsführer zugunsten einer Einzelvertretungsbefugnis des einzigen handlungsfähigen Gesellschafter-Geschäftsführers aufzugeben, zum außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb und lägen diese nicht im Interesse des Betroffenen.

Der OGH betonte das Erfordernis einer Einzelfallbeurteilung und verneinte das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG. Dem Versuch, im Rahmen des Revisionsrekurses eine isolierte Prüfung der einzelnen Schritte des Gesamtvorgangs zu bewirken, erteilte der OGH eine Absage: Das „Maßnahmenpaket“ diene einem gemeinsamen Zweck, nämlich – wie die Vorinstanzen festgehalten hatten – der Änderung der Gesamtvertretungsbefugnis in eine Einzelvertretungsbefugnis. Dadurch erhielte der Mitgesellschafter eine „ganz überragende Stellung“, welche ihm nach dem Zweck der ursprünglichen Verträge nicht zukommen sollte.

Eine Abweichung von der OGH-Entscheidung 6 Ob 99/11v, nach welcher Stimmrechtsausübungen in der Regel zu den gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen gehören, verneinte das Höchstgericht ausdrücklich, weil diese Differenzierungen nach der Bedeutung der Angelegenheit gerade nicht ausschließe. Abschließend hielt der OGH fest, dass einem Vertretungsmangel bei den Gesellschaften unter Anwendung von § 15a GmbHG (betreffend die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers) begegnet werden könnte. Das gemäß § 15a GmbHG angerufene Gericht könnte auch den verbliebenen handlungsfähigen Gesellschafter-Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis ausstatten.

Im Ergebnis überrascht die Entscheidung nicht. Das Problem dieser Sonderkonstellation war, dass die gesellschaftsrechtliche Position des handlungsunfähigen Gesellschafter-Geschäftsführers verschlechtert worden wäre; die Wiederherstellung einer handlungsfähigen Geschäftsführung hätte auch auf anderem Wege erreicht werden können.

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