Gesetzgebung

Ein Versuchsballon steigt auf: Regierungsvorlage zum GesRÄG 2023 mit neuer Kapitalgesellschaftsform

Kürzlich wurde die Regierungsvorlage für das Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 veröffentlicht. Sie enthält in ihrem Art. 1 das Bundesgesetz über die Flexible Kapitalgesellschaft (Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz bzw. FlexKapGG). Das Gesetzesvorhaben ist möglicherweise bei vielen durch die Verwendung der weiblichen Form für bestimmte Bezeichnungen (z.B. „Gesellschafterinnenbeschluss“) bekannt geworden, doch handelt es sich hierbei nur um eine moderne Begleiterscheinung der neuen Kapitalgesellschaftsform, welche insbesondere für Startups attraktiv sein soll.

Vorweg: Es ist nicht alles neu, sondern vieles alt und einiges neu. Im Bereich der Kunst würde man in einem solchen Fall wohl von „Collage“ oder „Eklektizismus“ sprechen können.

In der Sache geht es um Regelungen, welche eine modernisierte und flexibilisierte Variante der GmbH (mit aktienrechtlichen Einschlägen) zur Verfügung stellen sollen. Gleichwohl soll hierfür – „nur“ – eine eigene neue Gesellschaftsform geschaffen werden, auf welche Bestimmungen des GmbHG bloß subsidiär zur Anwendung gelangen. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage sprechen gar von einer „Hybridform“ zwischen GmbH und AG. Einige Vorteile hat die neue Gesellschaftsoption gewiss zu bieten; ihr Entstehen als eigenständige Gesellschaftsform verdankt sie aber möglicherweise dem Umstand, dass es diverse Gründe gibt, warum die GmbH derzeit nicht so umfassend novelliert werden soll.

Entsprechend würde auf Basis des FlexKapGG, welches mit 1. Jänner 2024 in Kraft treten soll, auch nicht eine GmbH gegründet, sondern eine „FlexKapG“ bzw. – als gleichsam englischsprachige Abkürzung – eine „FlexCo“ (über die Namensgebung kann freilich auch gestritten werden).

Im Folgenden einige Schlaglichter:

  • Besondere Ausgestaltungen soll die Flexible Kapitalgesellschaft im Bereich des Kapitals und der Anteile erhalten. Beispielsweise sollen – insbesondere auch wegen des Bedürfnisses, Mitarbeiterinnen am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben zu lassen – sog. „Unternehmenswert-Anteile“ (umfänglich beschränkt) ermöglicht werden (§§ 9ff.), welche den Berechtigten etwa nur in Ausnahmefällen ein Stimmrecht vermitteln. Solche Anteile könnten ohne Notariatsakt (bloß unter Einhaltung der Schriftform) übertragen werden; die Unternehmenswert-Beteiligten würden nicht ins Firmenbuch, sondern in ein Anteilsbuch der Gesellschaft eingetragen werden, wenngleich dem Firmenbuchgericht Namens- und Anteilslisten seitens der Gesellschaft übermittelt werden müssten. Die wesentlichen Herrschaftsrechte in der FlexKapG stehen – nach der Regierungsvorlage – allerdings den Gesellschafterinnen zu.
  • Bei der Geschäftsanteilsübertragung soll für die neue Gesellschaftsform ohne Notariatsakt das Auslangen gefunden werden: Für die Anteilsübertragung würde die Errichtung einer (Privat-)Urkunde durch Notarinnen oder Rechtsanwältinnen samt Belehrung der Parteien genügen (§ 12).
  • Es soll zudem die Möglichkeit der Schaffung von „Stückanteilen“ bestehen (§ 13); diesfalls können Gesellschafterinnen mehrere Stückanteile halten und getrennt darüber verfügen. Das kann insbesondere von Interesse sein, wenn unterschiedliche Gattungen von Stückanteilen geschaffen werden sollen. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage sprechen i.d.Z. etwa den Erwerb von Anteilen in verschiedenen Finanzierungsrunden an.
  • Weitere Regelungen (mit stärkerer Anlehnung an das Aktienrecht) finden sich etwa zum Erwerb eigener Anteile (§§ 15ff.), zur bedingten Kapitalerhöhung (§ 19), zum genehmigten Kapital (§ 21), zu sonstigen Finanzierungsformen (§ 22) sowie zur Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Geschäftsanteilen (§§ 23f). Letzteres kann im Kontext gesellschaftsvertraglicher Austritts- und Ausschlussmöglichkeiten von Bedeutung sein.
  • Die FlexKapG soll in eine GmbH oder AG umgewandelt werden können, ebenso eine GmbH oder AG in eine FlexKapG.
  • Im Kontext der Aufsichtsratspflicht geht das geplante FlexKapGG über das GmbHG hinaus (§ 6): Ein Aufsichtsrat ist bei der FlexKapG auch zu bestellen, wenn es sich zumindest um eine mittelgroße Kapitalgesellschaft im Sinne des § 221 Abs. 2 und 4 UGB handelt.

Inwieweit die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform nur ein Zwischenschritt zu einer umfangreicheren Novellierung des GmbH-Gesetzes ist (man erinnere sich im Kontext des HGB/UGB an das Erwerbsgesellschaftengesetz [EGG], welches im Rahmen der Handelsrechtsreform wieder beseitigt wurde), wird sich zeigen.

Aktuell bleibt die Erlassung des FlexKapGG abzuwarten und in der Folge werden ggf. noch einige Praxisprobleme des neuen Gesetzes zu lösen sein. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich annehmen, dass das FlexKapGG mit den neuen Konzepten auch einige neue Wertungswidersprüche in das Gesellschaftsrecht hineintragen wird. Ein gewisser „Pragmatismus“ des Gesetzgebers könnte – so seltsam es klingen mag – dennoch zu Rechtsunsicherheiten führen, die freilich früher oder später zu lösen sein werden.

Eine unmittelbare Änderung soll es bei der GmbH geben: Das Mindeststammkapital soll (wieder) auf € 10.000,- gesenkt werden, wodurch die Regelungen zur Gründungsprivilegierung wegfallen können.

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