Rechtsprechung

WEG – Gewährleistung und Zurückbehaltungsrecht

Wohnungseigentum: Zur Geltendmachung des Verbesserungsanspruches hinsichtlich allgemeiner Liegenschaftsteile und zum Leistungsverweigerungsrecht des Käufers einer Eigentumswohnung

OGH vom 27.01.2022, 2 Ob 34/21w

 

Der OGH hatte sich in der Entscheidung 2 Ob 34/21w mit mehreren interessanten Punkten auseinanderzusetzen: Zum einen geht es darum, ob die Eigentümergemeinschaft bei der Geltendmachung des gewährleistungsrechtlichen Verbesserungsanspruches eines Käufers einer Eigentumswohnung hinsichtlich allgemeiner Teile mitwirken muss; zum anderen erörtert das Höchstgericht die Grenzen des Zurückbehaltungsrechtes, namentlich den Rechtsmissbrauchseinwand.

  • Sachverhalt

Die beklagte Partei erwirbt von einer Bauträgergesellschaft Wohnungseigentum. Bei Übergabe liegen Mängel an allgemeinen Teilen der Liegenschaft vor, etwa an der Außenfassade, an den Außenanlagen und an den Grünflächen. Der Behebungsaufwand beläuft sich auf ca. EUR 30.000, wovon ca. EUR 560 auf die Anteile des Wohnungseigentümers entfallen. Wegen der Mangelhaftigkeit der allgemeinen Flächen verlangt er Verbesserung und stellt die noch aushaftende Teilzahlung an die Bauträgergesellschaft ein. Daraufhin erhebt diese eine auf Zahlung des offenen Betrages in Höhe von ca. EUR 29.000 lautende Klage. Der Beklagte verteidigt sich mit der Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages gemäß § 1052 ABGB, der der Kläger wiederum mit dem Einwand des Rechtsmissbrauches begegnet.

  • Geltendmachung des Verbesserungsanspruches

Die Geltendmachung von Ansprüchen aus Gewährleistung (nichts anderes gilt für Gestaltungsrechte) richtet sich grundsätzlich nach der Rechtsträgerschaft. Es muss die „richtige“ Person den ihr durch das materielle Recht zugewiesenen Anspruch einfordern. Als vertragliches Recht richtet sich die Rechtsträgerschaft der Gewährleistungsansprüche nach dem zugrundeliegenden Vertrag.

Die Eigentümergemeinschaft ist eine teilrechtsfähige juristische Person, sie kann in Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§ 2 Abs 5 iVm. § 18 Abs 1 WEG). Rechtsträger eines Gewährleistungsanspruches ist sie – abgesehen von den Fällen des § 18 Abs 2 WEG – grundsätzlich dann, wenn sich dieser aus einem von ihr abgeschlossenen Vertrag ableiten lässt. Spiegelbildliches gilt für den Wohnungseigentümer. Dieser kann freilich auch dann Verbesserung mit Verweis auf seinen Vertrag begehren, wenn es sich – wie vorliegend – um Mängel an allgemeinen Teilen der Liegenschaft handelt.

Allerdings deckt sich der gewährleistungsrechtliche Verbesserungsanspruch des Wohnungseigentümers hinsichtlich allgemeiner Teile der Liegenschaft weitestgehend mit dem Bereich der Verwaltung, die der Eigentümergemeinschaft zugeordnet wird (§ 28 Abs 1 Z 1 WEG). Sofern Gemeinschaftsinteressen betroffen sein könnten, muss der Wohnungseigentümer – damit er sich wirksam auf Verbesserung berufen kann – einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft (oder eine substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters) beibringen. Ein solches Gemeinschaftsinteresse wird nach der Rechtsprechung oftmals bei der Wahl des Gewährleistungsbehelfes angenommen, insbesondere wenn es darum geht, sich entweder auf Verbesserung oder auf Preisminderung zu berufen. In diesen Fällen ist die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten des Wohnungseigentümers sohin von der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft abhängig. Diese ist dann zwar nicht Rechtsträgerin, muss aber bei der wirksamen Geltendmachung mitwirken.

Ob im konkreten Fall ein solches Gemeinschaftsinteresse betroffen sein könnte, wird vom OGH nicht erörtert. Es wurde jedenfalls kein Mehrheitsbeschluss eingeholt, was der OGH aber offensichtlich als unschädlich qualifizierte. Der Wohnungseigentümer konnte daher vorliegend im Ergebnis von sich aus die Verbesserung von Mängeln an allgemeinen Liegenschaftsteilen wirksam begehren.

  • Leistungsverweigerungsrecht

Das Leistungsverweigerungsrecht steht grundsätzlich auch bei geringfügigen Mängeln zu. Die Ausübung darf aber nicht schikanös sein, wobei sich diese Grenze anhand des Wertverhältnisses zwischen Behebungskosten und offenem Entgeltbetrag bemisst.

Vorliegend beruft sich der Wohnungseigentümer auf die nicht gehörige Erfüllung des Vertrages und verweigert die Zahlung des noch offenen Entgeltbetrages von ca. EUR 29.000. Die anteiligen Behebungskosten belaufen sich auf EUR 560. Dies entspricht ca. 2% des aushaftenden Entgeltbetrages.

Fraglich ist, ob für die Bestimmung schikanösen Verhaltens die gesamten oder bloß die anteiligen Behebungskosten des sich auf die Einrede berufenden Wohnungseigentümers zu veranschlagen sind. Für die letztere Ansicht spricht, dass der Wohnungseigentümer auch die Kosten der Errichtung der allgemeinen Teile nur aliquot trägt. Andererseits dient das Leistungsverweigerungsrecht dazu, Druck auszuüben, damit der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt wird. Die Veranschlagung bloß der anteilsmäßigen Verbesserungskosten könnte dazu führen, dass im Extremfall kein einziger Wohnungseigentümer wirksam die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages erheben könnte, der Mangel gleichsam bei voller Zahlungspflicht bestehen bliebe. Nach der Ansicht des OGH ist daher der gesamte Behebungsaufwand anzusetzen.

  • Ergebnis

Anders als bei Geldforderungen wie etwa nach Preisminderung (hier stünde dem einzelnen Wohnungseigentümer nur ein aliquoter Teil zu), ist der Verbesserungsanspruch unteilbar. Der einzelne Wohnungseigentümer kann hinsichtlich mangelhafter allgemeiner Teile der Liegenschaft ohne Mitwirkung der Eigentümergemeinschaft Verbesserung begehren, solange davon kein Gemeinschaftsinteresse betroffen sein kann bzw. kein anderslautender Mehrheitsbeschluss vorliegt. Es dürfte sich insofern im Ergebnis um eine Art schwebende Wirksamkeit des Verbesserungsbegehrens handeln.

In der vorliegenden Entscheidung wird im Rahmen der Zurückhaltung des noch offenen Entgeltes von der Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages gemäß § 1052 ABGB und nicht vom Einwand mangelnder Fälligkeit ausgegangen. Zur Bestimmung, ob die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechtes schikanös ist, ist der gesamte Behebungsaufwand anzusetzen, nicht bloß der aliquote Teil des sich auf die Einrede stützenden Wohnungseigentümers.

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