Werkvertragsrecht

Zur (begrenzten) Reichweite einer Anzahlungsgarantie – OGH 29. Juni 2022,8 Ob 36/21h,

Immer dann, wenn ein Auftragnehmer (zum Beispiel Werkunternehmer) für die Erfüllung seines Auftrages – etwa durch Anschaffung von Materialien – finanziell in Vorlage treten muss, ist er bestrebt, mit seinem Auftraggeber die Leistung einer Anzahlung zu vereinbaren.
Wenn der vom Auftraggeber (zum Beispiel Werkbesteller) zu leistende Anzahlungsbetrag einen erheblichen Teil der Auftragssumme (des Werklohnes) ausmacht, riskiert der Auftraggeber, dass der Auftragnehmer (Werkunternehmer) während der Auftragserfüllung insolvent wird und der daraufhin gerichtlich bestellte Masseverwalter vom Vertrag zurücktritt, obwohl die bis zum Rücktritt erbrachten Leistungen nur einen Teil der geleisteten Anzahlung abdecken.
Abgesehen von der gescheiterten Auftragserfüllung ist der Auftraggeber (Werkbesteller) mit der von ihm geleisteten Überzahlung als Insolvenzgläubiger zu behandeln und erhält auf seinen Rückforderungsanspruch nur eine (sehr oft geringfügige) Insolvenzquote.
Aus all diesen Überlegungen wird das beschriebene Insolvenzrisiko insbesondere bei hohen Anzahlungsbeträgen manchmal dadurch ausgeschaltet, dass der Auftragnehmer (Werkunternehmer) eine Anzahlungsgarantie seiner Bank Zug um Zug gegen Vereinnahmung des Anzahlungsbetrages beibringen muss. Die Anzahlungsgarantie, welche den Auftraggeber (Werkbesteller) als Begünstigten ausweist, besichert dessen Anspruch auf Rückgabe der geleisteten Anzahlung, sollte die angezahlte Leistung nicht (vollständig) erbracht werden (9 Ob 70/20i mwN).
In der vorliegenden Entscheidung ging es um die Frage der Reichweite der Besicherung durch die Anzahlungsgarantie. Die Vertragserfüllung war bei Insolvenz des Werkunternehmers, eines Metallbauunternehmens, schon weit fortgeschritten, der Anspruch auf allfällige Rückzahlung der Anzahlung wegen des Umfanges der vom Metallbauunternehmen erbrachten Werkleistungen daher bereits erloschen. Da der Besicherungszweck der Anzahlungsgarantie damit weggefallen war, stellte der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht – das Erstgericht hatte die Rechtslage noch anders beurteilt – klar, dass ein Zugriff auf die Anzahlungsgarantie zur Abdeckung anderer Ansprüche des Auftraggebers (Werkbestellers) – in concreto ging es um die nicht eingehaltene Verpflichtung des Metallbauunternehmens zum Ersatz der Bauwesenversicherungsprämie – rechtsmissbräuchlich und daher nicht zulässig ist.

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