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Zur Reichweite der Amtshaftung bei fehlerhaftem Grundbuchsstand (1 Ob 198/18a)

4.09.2020 | Mag. Isabell Vollnhofer, BSc

In der Entscheidung 1 Ob 198/18a hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit folgendem Sachverhalt zu beschäftigen: Eine Frau schloss Ende des Jahres 2000 einen Übergabsvertrag mit ihrem Neffen ab und übertrug ihm das Hälfteeigentum an einer Liegenschaft. Zur Absicherung wurde ein Wohnrecht für die Frau, eine Schenkung auf den Todesfall an den Sohn des übernehmenden Neffen sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Sohnes des Neffen vereinbart. Im Jahr 2001 wurde schließlich das diesbezügliche Einverleibungsgesuch vom Grundbuchsgericht bewilligt, es unterblieb jedoch irrtümlich die Eintragung des Belastungs- und Veräußerungsverbots im Grundbuch.

Zwölf Jahre später gewährte eine Bank, die nunmehrige Klägerin, einer Mietwagen-GmbH einen Kredit, wobei der Neffe als geschäftsführender Gesellschafter des Mietwagenunternehmens eine persönliche Haftung übernahm. Die Bank gewährte den Kredit nur aufgrund einer Einsichtnahme in das Grundbuch und der daraus ersichtlichen unbelasteten Liegenschaft. Ein weiterer Haftungsfonds bestand nicht. Die kreditgewährende Bank verzichtete zudem auf die Einräumung einer dinglichen Sicherheit am Grundstück und nahm somit das Risiko in Kauf, einen Pfandrang im Falle eines Zahlungsverzuges erst schaffen zu müssen.

Im Jahr 2014, und somit nur ein Jahr nach Kreditgewährung, beantragte die Klägerin eine einstweilige Verfügung zur Sicherung ihrer ausstehenden Kreditforderungen. Anlässlich der Verbücherung des zu Gunsten der Bank (sicherungsweise) einzutragenden Veräußerungs- und Belastungsverbots bemerkte das Grundbuchsgericht seinen Fehler aus dem Jahr 2001 und leitete ein Berichtigungsverfahren ein, in dessen Zuge das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Sohnes des Beklagten im ursprünglichen Rang eingetragen wurde. Der Bank wurde somit die Möglichkeit einer exekutiven Verwertung des Liegenschaftsanteils genommen. Ihr verblieb folglich nur noch die Forderungsanmeldung im mittlerweile über das Vermögen der Kreditnehmerin eröffneten Insolvenzverfahren.

Die klagende Bank begehrte nun vom Bund aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz mit der Begründung, dass wenn das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Sohnes des Neffen korrekt eingetragen gewesen wäre, sie keinen Kredit gewährt und somit auch keinen Schaden erlitten hätte.

Der OGH bestätigte in der vorliegenden Entscheidung die klagsabweisenden Urteile der Vorinstanzen und sprach aus, dass die Kausalität zwar gegeben sei, es jedoch am Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle. Dies begründete der OGH damit, dass die Verpflichtung zur richtigen und vollständigen Führung des Grundbuches nur jene Personen schütze, die im Grundbuch eingetragene Rechte besitzen oder deren Begründung unmittelbar anstreben und damit am grundbücherlichen Verkehr teilnehmen. Dass durch die fehlerfreie Grundbuchsführung auch andere Person profitieren, sei eine bloße Nebenwirkung, die zu keiner Haftung führe. Andernfalls käme es zu einer uferlosen Ausweitung der Amtshaftung.

Im Prinzip ist dem OGH zuzustimmen, auch wenn die Lehre so manche Begründung kritisch hinterfragt. Hinterfragen müssen aber insbesondere Banken, ob sie ihre internen Richtlinien zu eintragungsfähigen Pfandurkunden (EPU; auch hinterlegte Pfandurkunde genannt) verschärfen. Der Zweck einer EPU ist, dass sich der Bankkunde die Grundbuchsgebühr für die Pfandrechtseintragung in Höhe von 1,2 Prozent des Pfandrechtsbetrages erspart. Im Gegenzug verlangt die Bank zumeist mehr Zinsen und verrechnet Gebühren für die laufende Überprüfung des Grundbuches. Sofern die Bank Bedenken hinsichtlich der Kreditfähigkeit hat, kann sie die Verbücherung der hinterlegten Pfandurkunde veranlassen und verschafft sich, freilich zeitlich verzögert, die Möglichkeit eines Zugriffs auf die Liegenschaft.

Da, wie der OGH betont, das Grundbuch kein Auskunftsbuch über das Vermögen und die Kreditfähigkeit des Liegenschaftseigentümers ist, ist Banken anzuraten, sofern sie das Risiko solch riskanter Kreditgeschäfte überhaupt weiterhin tragen wollen, auch Einsicht in die Urkundensammlung des Grundbuches zu nehmen. Fehler des Grundbuchgerichtes kommen zwar nicht allzu oft vor, doch wie der vorliegende Fall zeigt, können sie zu schwerwiegenden Konsequenzen führen.

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