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CORONA COVID-19-KRISENBEWÄLTIGUNG Teil 6: Die Hoffnung der Vermieter vom Winde verweht?

27.04.2020 | Mag. Wilhelm Milchrahm

Am Sonntag, den 15.3.2020, wurde das COVID-19-Maßnahmengesetz beschlossen. Noch am 15.3.2020 wies mslegal news auf die Möglichkeit eines Mietzinsentfalls oder eines Mietzinsminderungsanspruchs für Geschäftsraummieten gemäß §§ 1104, 1105 ABGB hin (https://mslegal.at/corona-covid-19-krisenbewaeltigung-oder-muss-ich-als-gastronom-oder-einzelhaendler-weiter-meine-miete-zahlen/).

Eine (berechtigte) Hoffnung der Vermieter?

Schon Anfang April gab die Bundesregierung bekannt, dass Unternehmen ein Teil ihrer Fixkosten – einschließlich der Mietzinse für Geschäftsraummieten – und der wertlos gewordenen Ware als Zuschuss abgegolten werden soll. Das nährte die Hoffnung der Vermieter auf geringe Einbußen. Eine Überlegung war, ein Mieter müsse, wenn er den Mietzins ersetzt bekäme, den Vermietern den Mietzins auch zahlen, andernfalls wäre er in der Regel unrechtmäßig bereichert (§§ 871, 1431, 1435 ABGB).

Diese Überlegung zäumt das Pferd von hinten auf, weil Fixkosten nur sein können, was der Mieter rechtlich auch schuldet. Der Mietzins ist aber bei berechtigtem Mietzinsentfall und berechtigter Mietzinsminderung gerade nicht bzw. nicht gänzlich geschuldet. Die Wirkungen der §§ 1104 f. ABGB treten zudem ex lege ein (vgl. OGH 1 Ob 306/02k; 3 Ob 286/05p), d.h. der Mieter muss keine gesonderte Erklärung abgeben oder gar den Rechtsweg beschreiten. Dass der Mieter in der Praxis letztlich doch zu Tätigkeit angehalten ist, liegt vor allem daran, dass eine vorbehaltlose Zahlung eine Rückforderung des gezahlten Mietzinses ausschließt (Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1096 Rz. 124 m.w.N.). Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Zuschussregelung für Fixkosten müsste daher aus rechtlichen Gründen so gestaltet sein, dass trotz Mietzinsentfalls oder Mietzinsminderung der vollständige Mietzins rechnerisch den Fixkosten zugrunde gelegt werden darf. Fehlt es an einer solchen Rechtsgrundlage sollten Mieter nicht der Versuchung erliegen, überhöhte Fixkosten der zuständigen Zuschussstelle darzustellen, indem sie eine Mietzinszinsreduktion oder einen Mietzinsentfall nicht berücksichtigen; das könnte eine gerichtlich zu ahndende Straftat verwirklichen. Nicht auszuschließen ist, dass Strafgerichte Verhaltensweisen eines Vermieters u.U. als Mitwirkung an der Straftat des Mieters ansehen könnten, etwa wenn dieser den Mieter dazu anhält, auch in klaren Fällen keine oder eine geringere Mietzinsreduktion durchzusetzen, da der Mieter ohnedies Fixkostenersatz bekäme.

Wie ist also der Stand der Dinge?

Der in Aussicht gestellte Fixkostenzuschuss (Direktzuschuss) wird aus den Mitteln des Krisenbewältigungsfonds gespeist werden. Entscheidend für die Beantwortung, wie er ausgestaltet sein wird, ist eine gemäß § 3b Abs. 3 des ABBAG-Gesetzes (BGBl. I 51/2014, zuletzt geändert durch BGBl. I 23/2020) zu erlassende Verordnung, welche die Richtlinien für die Verwendung der Mittel des Krisenbewältigungsfonds konkretisiert. Derzeit besteht aber nur jene Verordnung, die Garantien und Direktkredite regelt (BGBl. II 143/2020), ein Direktzuschuss ist ausdrücklich einer gesonderten, erst in Ausarbeitung befindlichen Verordnung vorbehalten (Pkt. 4.2. des Anhangs der Verordnung, BGBl. II 143/2020).

Das BMF gibt aber über Direktzuschüsse – in Ermangelung einer Verordnung somit über Zukünftiges – Auskunft (https://www.bmf.gv.at/public/top-themen/corona-hilfspaket-faq.html). Es handelt sich somit eher um die Darstellung eines Vorhabens.

Wesentliche Eckpunkte sind u.a.:

Ein Unternehmen muss sich für den Erhalt eines Fixkostenzuschusses verpflichten, sämtliche zumutbare Maßnahmen zu setzen, um die Fixkosten zu reduzieren.
Geschäftsraummieten gelten explizit als Fixkostenbestandteil, soweit der Mietzins nicht reduziert werden konnte.
Was bedeutet das in der Praxis für Vermieter und Mieter?

Mitzinsentfall und Mietzinsreduktion sind mögliche Rechtsfolgen der COVID-19-Maßnahmen, die (zunächst nur) das Innenverhältnis von Vermieter und Mieter betreffen. Die Handlungsoptionen auf beiden Seiten sind dabei überschaubar – im Wesentlichen geht es darum, einen Rechtstreit zu führen oder einen Vergleich zu erzielen.

In vielen Fällen werden mittlerweile Vergleiche über Mietzinsreduktionen zwischen Vermietern und Mietern verhandelt. Ein Vergleich ist auf beiden Seiten sorgfältig auszuarbeiten und muss unternehmerisch vertretbar sein. Das gilt vor allem für den Mieter, der wegen einer COVID-19-Maßnahme das Geschäftslokal schließen musste, denn er muss sich zu einem späteren Zeitpunkt der Frage stellen, welche Gründe für einen Vergleich anstelle einer Durchsetzung eines Mietzinsentfalls/Mietzinsminderung sprachen. Nun dürfte die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 1104 f. ABGB in der Literatur weitestgehend bejaht werden, aber die Lebenssachverhalte sind vielgestaltig, sodass keine generelle – d.h. für alle Mietverhältnisse gültige – Aussage getroffen werden kann. Ausgangslage eines Vergleichs muss deshalb für beide Vertragsteile eine umfassende rechtliche Beurteilung des individuellen Sachverhalts sein, weil diese Anhaltspunkte für Chancen/Risiken in einem Gerichtsverfahren gibt und eine notwendige Entscheidungsgrundlage für die Beteiligten bietet (vgl. OGH RIS-Justiz RS0108029). Für eine unternehmerisch vertretbare Entscheidung eines Mieters zugunsten eines Vergleichs lassen sich aber auch weitere Kriterien finden, die anhand des Einzelfalls abgewogen werden können, z.B.:

Eine angebotene angemessene Gegenleistung für den Verzicht auf Mietzinsminderung oder Mietzinsentfall, etwa eine vom Mieter gewünschte Investition des Vermieters oder ein Aussetzen der Wertsicherung im angemessenen Umfang;
Gefahr einer Nichtverlängerung eines Mietvertrages im Streitfall, wenn die Befristung des Mietvertrages durchsetzbar ist.
Der Mietzins soll nach bisherigem Wissenstand Bestandteil der Bemessungsgrundlage für den Fixkostenersatz durch die Republik Österreich sein. Dieser wird nach Umsatzverlusten gestaffelt sein und kann bis zu 75% der Fixkosten betragen. Die bisher ventilierten Informationen zur künftigen Verordnung lassen auch Schlüsse zu, wie die Verwaltung mit dem Thema Mietzinse als Fixkostenbestandteil umgehen wird. Da das Kriterium, der Mietzins gelte als Fixkostenbestandteil nur, soweit der Mietzins nicht reduziert werden konnte, offenbar eine entscheidende Rolle spielen soll, wäre wünschenswert, in Anbetracht der – oben kurz skizzierten – Überlegungen zu sorgfältigen Verhaltensweisen, dass der Verordnungsgeber sich im Detail ebenso mit den wirtschaftlichen Abwägungsfragen abstrakt befasst, diese auch akzeptiert sowie hinreichend klare Richtlinien vorgibt. Es muss verhindert werden, dass die essentielle Fixkostenförderung mit Unsicherheiten belastet wird. Insbesondere sollte der (nachträgliche) Einwand vermieden werden, man sei dem Vermieter zu sehr entgegengekommen, wenn das Verhandlungsergebnis ohnedies im Rahmen der unternehmerischen Sorgfalt (einschließlich des unternehmerischen Ermessens) gelegen ist. Falsche Kriterien könnten die Praktikabilität der Inanspruchnahme des Zuschusses deutlich reduzieren, insbesondere weil Mieter unter Umständen aufgrund der Besorgnis, den Zuschuss für den Mietzins einzubüßen, sich genötigt sehen, mit Vermietern einen (unproduktiven) Rechtsstreit zu führen.

Vorzugswürdig wäre sowieso ein anderes Konzept:

Es könnten vereinfachte Fallvarianten für den Abruf von Zuschüssen für den Mietzins vorgesehen werden, der unabhängig von der Anwendung der §§ 1104 f ABGB erfolgen kann. Der Mietzins muss im Gegenzug in der Höhe des Zuschusses an den Vermieter auch bezahlt werden, der wiederum auch nicht mehr fordern kann. Ein Beispiel: Geschäftslokale, die aufgrund der COVID-19-Maßnahmen rechtlich zwingend schließen mussten, erhalten 75% des Mietzinses ersetzt, die letztlich an den Vermieter zu zahlen wären – der Vermieter wiederum akzeptiert die Reduktion auf 75%.

Damit wären nicht nur die Interessen der Vermieter angemessen berücksichtigt, sondern letztlich Rechtsstreitigkeiten vermieden und auch die Verwaltung entlastet.

Kontakt:
Mag. Wilhelm Milchrahm, immobilienökonom (ebs)
E-Mail: office @mslegal.at

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