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Für Immobilieninvestoren, Einkaufs- und Fachmarktzentrumsbetreiber sowie deren Bestandnehmer: eine aktuelle OGH-Entscheidung zur Haftung für Unfälle am Parkplatz eines FMZ oder EKZ

7.09.2015 | Mag. Wilhelm Milchrahm

Der Oberste Gerichtshof musste sich in seiner Entscheidung vom 27.5.2015, 6 Ob 180/14k, der Beurteilung eines in der Praxis des Betriebs von Einkaufszentren und Fachmarktzentren wiederholt vorkommenden Problems stellen: Im November eines Jahres parkte eine Kundin eines Einkaufszentrums ihren PKW am Parkplatz des EKZ und kaufte beim dortigen Supermarkt ein. Am Rückweg nach dem Einkauf kam die Kundin zu Sturz und erlitt u.a. Verletzungen. Vermutlich dürfte dieser Unfall auf einen vereisten Bereich zurückzuführen sein. Der Parkplatz wies rund 400 Stellplätze auf, die, wie üblich, nicht bestimmten Geschäften zugeordnet waren. Die Parkplätze standen somit den Kunden der Geschäftsinhaber gleichermaßen und unentgeltlich zur Verfügung.

Die Kundin klagte nun den Geschäftsinhaber des Supermarktes, bei dem sie eingekauft hatte, auf Schadenersatz (Schmerzengeld, Ersatz der beschädigten Brille). Aus Sicht des beklagten Geschäftsinhabers kann es unverständlich sein, Ersatz eines Schadens leisten zu müssen, denn die Unfallstelle dürfte – wie der Sachverhalt anklingen lässt – etwas entfernter vom Bestandobjekt des Supermarktes gelegen sein.

Dennoch gab der OGH der Klage der Kundin statt, sodass der Geschäftsinhaber Schadenersatz zu leisten hatte. Nach ständiger Rechtsprechung treffen nämlich einen Geschäftsinhaber bei Anbahnung eines geschäftlichen Kontakts gegenüber seinem potentiellen Kunden nicht nur die Allgemeinen Verkehrssicherungspflichten, sondern schon vorvertragliche Schutzpflichten (vgl. OGH RIS-Justiz RS0016402; 2 Ob 158/06h). Daraus folgerte der OGH schon in früheren Entscheidungen, dass ein Geschäftsinhaber

(a) für die Sicherheit des Geschäftslokals selbst und

(b) für einen sicheren Zugang zu seinem Geschäftslokal zu sorgen habe, insbesondere auch den Eingang und den unmittelbar davor befindlichen Gehsteigbereich von Schnee und Eis säubern und betreuen müsse (vgl. OGH 2 Ob 158/06h mwN).

Die räumliche Reichweite dieser Verpflichtung ist aber nicht klar konturiert, vielmehr hängt diese von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. OGH 2 Ob 158/06h mwN).

Im konkreten Fall hatte die Kundin nun im Supermarkt schon eingekauft, sodass ein Vertragsverhältnis zwischen Kundin und Geschäftsinhaber entstanden war. Es handelte sich daher nicht um ein vorvertragliches Schuldverhältnis, sondern um eine Frage nach den nachvertraglichen Pflichten eines Geschäftsinhabers. Wenn nun schon vor potentiellem Abschluss eines Vertrages für den Geschäftsinhaber vorvertragliche Pflichten der Verkehrssicherung entstehen, so muss das umso mehr gelten, wenn ein Vertragsabschluss erfolgte. Folgerichtig werden nachvertragliche Pflichten des Geschäftsinhabers entsprechend der vorvertraglichen Pflichten bejaht (OGH 3 Ob 160/04g).

Nun ging es allerdings nicht um einen räumlich unmittelbaren Bereich vor dem Bestandobjekt, sondern vielmehr um einen Parkplatz mit 400 Stellplätzen, auf welchem sich die Kundin an einer – im Sachverhalt nicht ausreichend konkretisierten – Stelle verletzte. Der OGH hatte schon in früheren Entscheidungen (vgl. OGH 1 Ob 304/99h) ähnliche Fallkonstellationen zu entscheiden, in denen sich Kunden verletzten. Allerdings handelte es sich um Konstellationen, in denen die Stellplätze dem Geschäftsinhaber direkt zugeordnet bzw. für dessen Kunden reserviert waren.

Im konkreten Fall lag der Sachverhalt aber insoweit anders, als die Kundin auf einem Parkplatz stürzte, dessen Stellplätze nicht den einzelnen Geschäftsinhabern zugeordnet waren. Der OGH erachtete diesen Unterschied als nicht maßgeblich und bejahte damit die Haftung des Geschäftsinhabers des Supermarktes vor allem mit der Begründung, dass die Stellplätze den Kunden zur Befriedigung ihrer Kaufabsichten zur Verfügung gestellt wurden und sich der Supermarkt-Geschäftsinhaber im Bestandvertrag genau diese Mitnutzung für die eigenen Kunden vertraglich einräumen ließ.

Im Ergebnis schuldete somit der beklagte Geschäftsinhaber seinen (potentiellen) Kunden und Kundinnen die Verkehrssicherung auch durch Räumung und Streuung, deren Verletzung zum Unfall derKlägerin führte. Dass der Bestandgeber offenbar im Innenverhältnis für die Räumung und Streuung verantwortlich war, tat der Haftung des Geschäftsinhaber gegenüber der Kundin keinen Abbruch; tatsächlich war der Bestandgeber Erfüllungsgehilfe des Geschäftsinhabers Supermarktes in der Erfüllung der eigenen Verkehrssicherungspflichten gegenüber seinen Kunden (§ 1313a ABGB).

Diese Entscheidung ist für die Praxis von nicht unerheblicher Bedeutung; sie kann z.B. bedeuten, dass sich Geschäftsinhaber in Einkaufszentren und in Fachmarktzentren künftig stärker überlegen müssen, ob sie regelmäßig außerhalb ihres Bestandobjektes liegende Anlagen und Außenbereiche ansehen, jedenfalls Gefahrenquellen dem Bestandgeber melden und ggf. (jedenfalls bei Gefahr in Verzug) auch selbst sichern sollten.

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