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OGH 21.2.2018, 3 Ob 199/17m – Augen auf beim Grundstückskauf

15.02.2019 | Dr. Martin Stadlmann

Offenkundige, im Grundbuch nicht ersichtliche Dienstbarkeiten werden wie eingetragene Dienstbarkeiten behandelt. Ein Käufer einer derart belasteten Liegenschaft darf nicht auf das Grundbuch, d.h. nicht auf die Lastenfreiheit des Kaufobjektes vertrauen.Eine offenkundige, also trotz fehlender Eintragung im Grundbuch gültige Dienstbarkeit (Servitut) ist immer dann anzunehmen, wenn auf der betroffenen Liegenschaft Anlagen oder sonstige Einrichtungen erkennbar oder Vorgänge zu beobachten sind, die objektiv die Belastung mit einer Servitut vermuten lassen.

In diesem Fall darf sich ein Käufer nicht alleine auf den Grundbuchsstand verlassen. Dies trifft etwa bei der Existenz eines Zugangstors zur Nachbarliegenschaft, das bei einer von Wegerechten freien Liegenschaft keine Funktion hätte, oder bei Vorhandensein eines in der Natur ersichtlichen, zur Nachbarliegenschaft führenden Weges zu.

Der vorliegenden Entscheidung liegt der Kauf von zwei landwirtschaftlich als Wiese genutzten und eingezäunten Grundstücken zugrunde, wobei der Zaun sowohl an der Straße als auch bei einem (zum benachbarten Waldgrundstück führenden) Bachübergang geöffnet werden konnte.Die Käufer klagten den Eigentümer des benachbarten Waldgrundstückes auf Feststellung des Nichtbestehens einer Servitut sowie auf Unterlassung des Gehens und Fahrens auf den Wiesengrundstücken.

Das Klagebegehren der Käufer wurde vom Erstgericht abgewiesen, während das daraufhin von den Käufern angerufene Berufungsgericht die Entscheidung umgedreht und dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben hatte.Auf Grund der Revision des beklagten Eigentümers des benachbarten Waldgrundstückes erinnerte der Oberste Gerichtshof (OGH) die Kläger an die jeden Grundstückserwerber treffenden Sorgfaltsanforderungen. Der Erwerber eines Grundstückes muss immer dann Nachforschungen anstellen, wenn aufgrund erkennbarer Gegebenheiten der Verdacht besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchsstand entsprechen, wenn sich also konkrete Bedenken gegen die Richtigkeit des Grundbuchsstandes ergeben. Das Höchstgericht hält konsequenter Weise daran fest, dass die mangelnde Besichtigung einer kaufgegenständlichen Liegenschaft durch den Käufer eine Sorgfaltsverletzung darstellt.

Der OGH hat daher die Berufungsentscheidung aufgehoben und dem Berufungsgericht die nähere Behandlung der Berufung der Kläger, die sich gegen bestimmte Feststellungen des Erstgerichtes über die Art und den Umfang sowie über die Dauer der Nutzung der Wiesengrundstücke durch den Eigentümer des benachbarten Waldgrundstückes und auch gegen die Feststellungen des Erstgerichtes zum Zweck der im Bach eingebauten Betonrohre, gewendet hatten, aufgetragen.Mangels Kognitionsbefugnis des OGH in Tatfragen konnte das Höchstgericht dazu keine abschließenden Feststellungen treffen, weshalb die Frage, ob den Klägern als Käufer der beiden Wiesengrundstücke Fahrlässigkeit in Bezug auf eine offenkundige außerbücherliche Dienstbarkeit des Beklagten vorzuwerfen ist, noch nicht abschließend beurteilt werden konnte.

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