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OGH 21. 2. 2020, 4 Ob 191/19w: Spätes privatrechtliches „Nachspiel“ eines Strafverfahrens. Die Lebensgeschichte ist nicht urheberrechtlich geschützt.

29.06.2020 | Dr. Roman Alexander Reuter

Eine jüngere OGH-Entscheidung betraf einen Rechtsstreit zwischen zwei Rechtsanwält/innen, die in den 1990er-Jahren eine später erstinstanzlich, nicht rechtskräftig wegen mehrfachen Prostituiertenmordes verurteilte Person (U.) rechtsfreundlich vertreten hatten (U. hatte nach der erstinstanzlichen Verurteilung Selbstmord begangen). Die Beklagte hatte Bücher veröffentlicht, in welche Tagebuchaufzeichnungen und Prozesstagebücher von U. Eingang gefunden hatten. Der Kläger behauptete alleinige Werknutzungsrechte an allen von U. geschaffenen Werken und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung seines Unterlassungsbegehrens.

Im (Sicherungs-)Verfahren ging es ua um die Vereinbarungen, welche U. mit dem Kläger geschlossen hatte. Das Rekursgericht und der OGH erkannten darin eine Einräumung der Werknutzungsrechte an den bereits im Juni 1992 entstandenen Werken des U., nicht jedoch eine Einräumung auch hinsichtlich zukünftiger Werke.

Als Konsequenz stellte sich die Frage, ob der Kläger ein Ausschließlichkeitsrecht an der Lebensgeschichte des U. erworben hatte, wie es zwischen dem Kläger und U. vereinbart war. Der OGH hält hierzu zutreffend fest, dass hinsichtlich des tatsächlich gelebten Lebens eines Menschen kein (umfassendes, ausschließlich mit materiellen Interessen begründetes) Ausschließungsrecht besteht, würden damit doch „Schlüsselromane, Biographien oder Berichte über Ereignisse, die mit dem Leben eines bestimmten Menschen in Verbindung stehen“, generell der Zustimmung des Betroffenen unterworfen, was nicht mit Art 10 EMRK, Art 17, 17a StGG vereinbar ist. Das Leben eines Menschen dürfe – vorbehaltlich des Eingriffs in Persönlichkeitsrechte – beschrieben, dramatisiert und verfilmt werden.

Für das Sicherungsbegehren war somit entscheidend, ob in den Büchern vom Werknutzungsrecht des Klägers erfasste Tagebuchaufzeichnungen vorkamen, dh urheberrechtlich geschützte Werke aus der Zeit vor Abschluss der Vereinbarung. Den Kläger trifft die Behauptungs- und Bescheinigungslast hierfür. Der OGH hielt fest, dass dem Kläger die Bescheinigung teilweise gelungen war.

Das konkrete Sicherungsbegehren des Klägers („Werke welcher Art auch immer, die U. vor bzw während seiner Haft verfasst hat…“) qualifizierte der OGH als hinreichend bestimmt, weil einem Unterlassungsbegehren nach der Judikatur „eine allgemeinere Fassung gegeben werden kann, um Umgehungen zu vermeiden“ (mit Verweis auf RS0037733; RS0037607).

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