Werkvertragsrecht

News zur Sicherstellung des Werklohnes bei Bauverträgen: Erstreckung auf den Haftrücklass? OGH 15. März 2023, 3 Ob 28/23y

Die Sicherstellungsobliegenheit des Auftraggebers bei einem Bauvertrag (§ 1170b ABGB) – siehe dazu meinen Legal News-Beitrag vom 7. Dezember 2021 – wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht nach ständiger Rechtsprechung bis zur vollständigen Bezahlung des Werklohnes (RS0132039). Das Recht, Sicherstellung zu begehren, steht nach der Judikatur dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zu (1 Ob 107/16s sowie 6 Ob 113/20s).In der Baubranche wird regelmäßig zur Besicherung von Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers ein sogenannter Haftrücklass vereinbart. Der Haftrücklass beträgt meist 3 bis 5 Prozent des Werklohnes und kann vereinbarungsgemäß bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist einbehalten werden.

Oft kann der Werkunternehmer die Auszahlung des Haftrücklasses gegen Beibringung einer Bankgarantie mit einer Gültigkeitsdauer bis zum Ende der Gewährleistungsfrist erwirken. Wenn dies aber nicht gelingt, d.h. der Auftraggeber den vereinbarten Haftrücklass einbehält, stellt sich die naheliegende Frage, ob der Werkunternehmer auch in diesem Fall von seinem Recht auf Sicherstellung Gebrauch machen kann.

Genau dieser Sachverhalt lag der gegenständlichen oberstgerichtlichen Entscheidung zugrunde.Die Klägerin forderte von der beklagten Auftraggeberin eine Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB exakt in Höhe der für mehrere Bauvorhaben offenen Haftrücklässe. Da die von der beklagten Auftraggeberin beigebrachte Sicherstellung (in Form einer Garantie einer zu 50% an der Auftraggeberin beteiligten Gesellschafterin) nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach, setzte die Werkunternehmerin eine Nachfrist für die Beibringung der Sicherstellung und erklärte die Aufhebung des Werkvertrages. Sie klagte sodann auf den restlichen Werklohn in Höhe der offenen Haftrücklässe. Dies mit Erfolg in allen Instanzen.Die beklagte Auftraggeberin hatte erfolglos damit argumentiert, dass die gesetzlichen Sicherstellungsregelungen auf den Haftrücklass nicht anwendbar seien, da dieser nicht das vereinbarte Entgelt, sondern die Gewährleistungsabsicherung des Auftraggebers betreffe.

Das Höchstgericht stellte jedoch klar, dass auch der vereinbarte Haftrücklass einen Teil des noch ausstehenden Entgelts darstellt und daher sehr wohl vom – gesetzlich zwingenden und daher nicht durch Parteienvereinbarung abdingbaren – Recht auf Sicherstellung erfasst ist. Im Übrigen konnte der OGH die in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstrittene und von der Rechtsprechung bis dato nicht beantwortete Frage, ob die in § 1170b Abs. 1 Satz 3 ABGB enthaltene Aufzählung der Sicherstellungsmittel (Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen) abschließend oder bloß demonstrativ ist, offen lassen, da die vom beklagten Auftraggeber beigebrachte Garantie einer Gesellschafterin nicht annähernd an die rechtliche Qualität einer Bankgarantie oder Versicherung heranreichte.

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