Immobilienrecht - Superädifikat

OGH erweitert den Anwendungsbereich für Superädifikate auf unbefristete Bestandverträge – OGH vom 20.Juli 2022, 3 Ob 108/22m

Viele Leute haben schon den Begriff „Superädifikat“ gehört. Aber was steckt wirklich dahinter? Unter welchen Voraussetzungen entsteht ein Superädifikat?

Beim Superädifikat oder Überbau handelt es sich um Gebäude oder sonstige Bauwerke, welche nicht dem Liegenschaftseigentümer, sondern einer anderen Person gehören.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Superädifikat (§435 ABGB) dann vor, wenn auf fremdem Grund ein Bauwerk in der Absicht aufgeführt wird, dass es nicht stets darauf verbleiben soll. Die fehlende Belassungsabsicht müsse – so ein Stehsatz der Rechtsprechung – äußerlich erkennbar sein.
Aber wie erkennt man nun, ob ein Bauwerk dem Liegenschaftseigentümer oder doch einem Dritten gehört?
Da nach der Rechtsprechung die fehlende Absicht, das Gebäude stets auf dem Grund zu belassen, nicht zwingend aus dem äußerlichen Erscheinungsbild des Bauwerks ableitbar sein muss, sondern zum Beispiel auch aus der Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer des Bauwerks geschlossen werden kann, lässt sich in der Praxis vielfach nicht erkennen, ob überhaupt ein Superädifikat vorliegt.
Auch ein fest gemauertes Bauwerk, das nicht ohne Zerstörung der Substanz entfernbar ist, kann also ein Superädifikat sein. Dies kann zu bösen Überraschungen bei den Gläubigern des Liegenschaftseigentümers führen, die bei der Bewertung der Bonität ihres Schuldners zu Unrecht auch den Wert des Gebäudes mitberücksichtigen.
Auch ein Blick in das Grundbuch kann diesem Informationsdefizit der Gläubiger des Liegenschaftseigentümers nicht abhelfen, entsteht ein Superädifikat doch originär durch Bauführung auf der Grundlage einer vertraglichen Regelung zwischen dem Bauführer und dem Liegenschaftseigentümer. Selbst die Ersichtlichmachung des derart geschaffenen Superädifikats im Grundbuch hat keine konstitutive Wirkung und daher nur sehr eingeschränkte Bedeutung.
Während die ältere Rechtsprechung noch ein befristetes Rechtsverhältnis für die Grundbenützung zwischen der Liegenschaftseigentümerin und dem Bauführer (Eigentümer des Superädifikates) als Ausdruck der fehlenden Belassungsabsicht verlangt hat, schließt nach der jüngeren Judikatur der Abschluss eines unbefristeten Bestandvertrags nicht zwingend das Entstehen des Superädifikats aus. Auch in diesem Fall soll nach der Rechtsprechung die fehlende Absicht, das Bauwerk stets – also für seine gesamte natürliche Lebensdauer – auf fremdem Grund zu belassen, ausreichen, um das Bauwerk als Superädifikat einzuordnen (5Ob116/21a).

Im gegenständlichen Fall waren die Vertragsparteien, nämlich die Liegenschaftseigentümerin und die Errichterin des Bauwerks, bei Abschluss des Mietvertrages auf unbestimmte Zeit irrtümlich davon ausgegangen, dass das Mietverhältnis nicht den Kündigungsschutzbestimmungen des MRG unterliege und daher von der Vermieterin nach Ablauf des 30-jährigen Kündigungsverzichts der Liegenschaftseigentümerin kündbar sei. Sie hatten sogar vereinbart, dass „bei vertragsgemäßem Ende nach 30 Jahren“ das Eigentum am Gebäude auf die Liegenschaftseigentümerin (Vermieterin) übergehe und die Errichterin des Bauwerks (Mieterin) zur lastenfreien Übergabe des Superädifikates verpflichtet sei. Die gegen die Mieterin gerichtete Räumungsklage wurde jedoch rechtskräftig abgewiesen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ohne fachkundige Analyse der zwischen der Liegenschaftseigentümerin und einem dritten Bauführer getroffenen Abrede über die Grundbenützung weder die Frage, wem das Gebäude gehört, noch die Auflösbarkeit der Vereinbarung über die der Bauführerin eingeräumten Grundbenützung beantwortet bzw beurteilt werden kann.

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