Die Parteien eines Vertrages treffen insbesondere bei dessen Erfüllung wechselseitige Schutz- und Sorgfaltspflichten.
Eine besondere Ausformung dieser Schutz- und Sorgfaltspflichten bildet die Warnpflicht des Werkunternehmers gemäß §1168a Satz 3 ABGB. Diese Warnpflicht besteht (nur) dann, wenn z.B. der Werkunternehmer erkennen kann, dass die ihm vom Besteller erteilten Anweisungen dazu führen, dass das Werk – zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit – misslingen wird.
Diese Warnpflicht besteht auch gegenüber einem sachkundigen oder einem sachkundig beratenen oder vertretenen Besteller. Der Werkunternehmer kann sich also seiner Warnpflicht nicht dadurch entledigen, dass er sich auf die besondere Sachkunde des Bestellers oder des vom Besteller beigezogenen Fachmannes (z.B. Architekten) verlässt. Die Aufklärungs- und Warnpflichten des Werkunternehmers dürfen aber nicht überspannt werden (RS 0021941).
Der Werkunternehmer wird (nur dann) zur Gänze entlastet, wenn er davon ausgehen darf, dass der Besteller über Mängel in seiner Sphäre durchaus Bescheid weiß und das Risiko der Werkerstellung dennoch übernimmt (RS 0021906 [T4, T6]; 8 Ob 8/17k).
Im vorliegenden Fall oblag der Klägerin über Auftrag der beklagten Partei die örtliche Bauaufsicht bei der Errichtung eines Gewerbehofs. Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte auch die Prüfung aller Rechnungen der bauausführenden Unternehmen „auf Richtigkeit und Vertragsmäßigkeit“.
Mit einem Metallbauunternehmen war eine Werklohnzahlung in gleichbleibenden, vom Baufortschritt unabhängigen Teilrechnungen vereinbart worden. Dieses Metallbauunternehmen erhielt von der beklagten Partei auch eine Anzahlung von 30% des Werklohns, wobei die Anzahlung vereinbarungsgemäß in Raten bei jeder Teilrechnung durch Abzug eines bestimmten Betrages zu berücksichtigen war. Weiters wurde eine Fälligkeit der Teilrechnungen binnen 30 Tagen plus 14 Tagen Prüffrist mit 4% Skonto vereinbart.
Die mit der Rechnungsprüfung betraute Klägerin brachte bei jeder Teilrechnung den jeweils anzurechnenden Anzahlungsbetrag vor der Berücksichtigung der Umsatzsteuer anstatt danach in Abzug. Dies führte im Ergebnis dazu, dass der angerechnete Anzahlungsbetrag nicht mit dem 4%igen Skontovorteil belegt wurde, woraus sich für die Bauherrin (Auftraggeberin) entgangene Skonti in Höhe von insgesamt EUR 58.524,63 ergaben.
Sie brachte diesen Betrag vom Werklohn der mit der Rechnungsprüfung betrauten Klägerin in Abzug und berief sich darauf, dass im Bauwesen geleistete Anzahlungen üblicherweise erst nach Ausweisung des Skontos von den Teilrechnungen in Abzug gebracht werden.
Die beklagte Bauherrin hatte jedoch der Klägerin für die Rechnungsprüfung ein Formblatt zur Verfügung gestellt, wonach der Anzahlungsbetrag bei jeder Teilrechnung noch vor der Berücksichtigung der Umsatzsteuer in Abzug zu bringen ist. Die Klägerin hatte sich an diesem Formblatt orientiert.
Es stellte sich nun die Frage, ob die Klägerin die beklagte Partei vor den wirtschaftlichen Konsequenzen (kein Skontoabzug für den geleisteten Anzahlungsbetrag in Höhe von 30% des Werklohnes) hätte warnen müssen.
Während dies vom Berufungsgericht – dieses reduzierte den Werklohn der Klägerin im Ausmaß der der beklagten Partei entgangenen Skonti in Höhe von EUR 58.524,63 – noch bejaht wurde, folgte das Höchstgericht der Sichtweise des Erstgerichtes und kam zum Ergebnis, dass sich die Klägerin bei der Rechnungsprüfung an den konkreten Vorgaben der beklagten Partei, nämlich an dem von dieser der Klägerin als Arbeitsunterlage zur Verfügung gestellten Berechnungsblatt orientieren durfte.
Da es sich bei der beklagten Partei um eine städtische Holdinggesellschaft handelte, deren Sachkunde und Erfahrung mit der Abwicklung von Großbauvorhaben notorisch sei, könne davon ausgegangen werden, dass bei der Erstellung eines Prüfblattes eine bestimmte Art der Verrechnung des Skontoabzuges nicht versehentlich und unbeabsichtigt gewählt wurde.
Der Klägerin hätte diese Vorgabe auch nicht als offenbar unrichtig auffallen müssen, da sie mit der Auftragsbeziehung zwischen der beklagten Partei und dem rechnungslegenden Metallbauunternehmen nicht im Widerspruch stünde. Aus dem Auftrag ergab sich nämlich der Umstand, dass in der Angebotssumme des Metallbauunternehmens bereits ein Nachlass von 2% bei einer Anzahlung von 30% der Auftragssumme enthalten war, wobei bei zusätzlicher Einbeziehung der Anzahlung in den Skontoabzug die Vorausleistung der Anzahlung der Auftraggeberin im Ergebnis doppelt honoriert worden wäre.
Würde man unter diesen Voraussetzungen der Klägerin eine Warnpflicht auferlegen, käme dies einer Beratungspflicht der Klägerin in Angelegenheiten der Kalkulation gegenüber der sachkundigen beklagten Partei gleich.
Die Klägerin musste daher die beklagte Partei nicht über die wirtschaftlichen Folgen der von dieser der Klägerin vorgegebenen Methodik bei der Prüfung der Teilrechnungen warnen.